Am Ende des Schuljahres findet an den meisten Schulen in Ghana eine ganz besondere Feier statt: die Graduation. Im Gegensatz zu Deutschland, wo vor allem die Einschulung gefeiert wird, zelebriert man hier den Abschluss des Kindergartens beziehungsweise der Grundschule. Das gesamte dritte Schultrimester wurde am Bezaleel Educational Complex fleißig für diesen großen Tag geprobt.
Uncle Prince hat eigens ein kleines Theaterstück geschrieben, das er mit seiner Klasse einübte. In den Deutschklassen wurden deutsche Lieder geprobt: Mit der ersten Klasse habe ich den „Körperteil-Blues“ einstudiert. Die Schüler*innen der zweiten bis vierten Klasse übten „Auf uns“ von Andreas Bourani und machten sogar passende Tanzbewegungen dazu. Die Advanced-German-Schüler*innen von Pia sangen „Stop, kein Mobbing!“.
Ein weiteres Highlight war die Modenschau. Jedes Kind durfte ein besonderes Kleidungsstück mitbringen, und anschließend lief die ganze Gruppe stolz über den Catwalk. Besonders schön fand ich, dass sowohl Mädchen als auch Jungen teilnahmen und ihre Outfits präsentierten.
Für mich persönlich waren die Tanzaufführungen das Highlight. Auntie Doris entwickelte zu einem Remix aus verschiedenen Liedern eine Choreographie, die sie den Kindern beibrachte. Am Ende konnten eigentlich alle Kinder – von der Kindergrippe bis zur sechsten Klasse – sowohl die Einlage der jüngeren Klasse als auch die Choreographie der älteren Schüler*innen. Eines Nachmittags wurde auch uns Praktikantinnen die Choreographie gezeigt, und plötzlich wurden wir mit eingeplant. Ich war ziemlich aufgeregt, aber zum Glück hat Naomi, die älteste Tochter von Pia und Emmanuel, kurz vor der Graduation nochmal fleißig mit uns geübt.
Da ich selbst immer wieder Akrobatik gemacht habe, wollte ich dies unbedingt mit einigen Schüler*innen ausprobieren. Aus diesem Grund habe ich mit der dritten Klasse zunächst eine Akrobatikstunde gemacht, in der ich die Grundregeln erklärte und die Kinder verschiedene Figuren ausprobieren ließ. Es war sehr schön zu sehen, wie viel Spaß die Kinder dabeihatten. Immer wenn sie eine Figur aufgebaut hatten, riefen sie begeistert: „Auntie, Auntie, Auntie!“ und eine von uns Praktikantinnen musste ein Foto von ihnen machen 😊.



Als ich Emmanuel davon erzählte, schlug er vor, eine Aufführung für die Graduation daraus zu machen. Ich wollte die Entscheidung nicht allein treffen, da noch einiges an Arbeit auf uns zukommen würde. Als ich die dritte Klasse fragte, waren einige der Schüler*innen sehr begeistert. Und nachdem wir auch den Rest der Klasse überzeugt hatten, stand unser neues Projekt fest.
Von da an versuchten wir öfter zu üben. Das war jedoch nicht einfach, weil die Figuren nur eingeübt werden konnten, wenn alle Schüler*innen anwesend waren und ihre Sportsachen mitgebracht hatten. Zudem entstand das Problem, dass auch alle anderen Aufführungen in jeder Zwischenpause probten, weshalb es nicht leicht war, alle Kinder zusammenzubekommen. Anfangs übten wir die verschiedenen Figuren noch auf dem Gras, damit es weicher ist, falls jemand fällt. Da die Graduation aber auf dem betonierten Sportfeld stattfinden sollte, liehen wir uns später Schlafmatten von der Kindergrippe aus.
Außerdem half mir Auntie Doris bei der Liedauswahl, und so entschieden wir uns schließlich für „Tattoo“ von Loreen.


In der vorletzten Woche mussten die Schüler*innen dann erst einmal Examensprüfungen schreiben. Jeden Morgen um 8 Uhr und nach der Pause um 10:30 Uhr fand eine Prüfung statt. Trotzdem konnte ich die Kinder motivieren an zwei Tagen, zwischen den Prüfungen noch ein wenig zu üben. Manche machten es mittlerweile schon richtig gut, bei anderen war es aber oft noch eine sehr wackelige Angelegenheit. Stella und Jessi halfen mir zum Glück dabei, Sicherheitsstellungen zu geben. Allerdings wollten wir für die Aufführung so wenig wie möglich direkt nebendran stehen.
Nach den Prüfungen hatten wir schließlich noch eine halbe Woche Zeit. Ein Drittklässler wollte plötzlich lieber Fußball spielen, als mit uns üben. Nach längerer Diskussion beschlossen wir, dass er nicht mitmachen darf. Unsere Ersatzschülerin aus der vierten Klasse fehlte jedoch an drei von zwei Übungstagen. Nach langem Hin und Her mussten wir, obwohl es inkonsequent war, den Schüler aus der dritten Klasse wieder mitmachen lassen, da wir keine Zeit hatten die Choreographie nochmals umzustellen.
Schließlich war es so weit: Der Tag der Graduation war da. Pia hatte bis spät in die Nacht an den Zeugnissen gearbeitet, und wir Lehrkräfte trafen uns bereits um 7 Uhr, um zu dekorieren und das Sportfeld zu schrubben. Die Kinder, die gegen 8 Uhr eintrafen, halfen fleißig beim Aufpusten der Luftballons – auch wenn sie diese eigentlich alle selbst behalten wollten. Um 10 Uhr ging die Feier los, nachdem die meisten Eltern angekommen waren und ihre Plätze eingenommen hatten.





Für mich gab es einen kleinen Schockmoment, als ein Kind aus der Akrobatikgruppe mir erklärte, dass seine Mutter ihm verboten hatte, an der Akrobatikaufführung teilzunehmen. Wir hatten zuvor schon manchmal Probleme, weil Eltern besorgt waren, dass es zu gefährlich sei. Der Junge wusste jedoch nicht, warum seine Mutter es nicht wollte. Glücklicherweise erklärte sich Uncle Osei bereit, mit der Mutter zu sprechen. Es stellte sich heraus, dass es daran lag, dass die Sporthose ein Loch hatte. Das Problem konnten wir zum Glück mit einer Schulsportuniform lösen.
Letztendlich war es ein sehr voller, wuseliger und auch anstrengender Tag, aber ich war unglaublich stolz auf die Kinder, wie wunderbar sie ihre Akrobatikaufführung absolviert haben – und auf alle anderen Programmpunkte natürlich ebenso.