Seit etwas mehr als sechs Wochen lebe ich nun in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar und auch wenn ich finde, dass die Stadt ihren eigenen Charme hat, habe ich dennoch das Bedürfnis, ihr zwischendurch mal zu entfliehen: weg von den vielen Menschen, dem Lärm, den Abgasen und den Hochhäusern…
Leider ist es in der Mongolei aber sehr schwierig, auf eigene Faust aus der Stadt rauszukommen. Das liegt ganz einfach daran, dass die öffentlichen Verkehrsmittel sehr schlecht ausgebaut sind. Man braucht also eigentlich ein Auto, um die schönen Seiten des Landes zu Gesicht zu bekommen.
Umso glücklicher war ich, als meine Gastfamilie mich zu einer Nacht auf dem Land eingeladen hat. So holten sie mich am Samstag morgen gegen 9 Uhr ab und nach ca. einer Stunde und einem kurzen Zwischenstopp in einem riesengroßen Supermarkt waren wir endlich aus der Stadt draußen.
Es ist echt erstaunlich: von einem auf den anderen Moment verändert sich die die Straßenbeschaffenheit. Es gibt es nur noch eine Fahrspur und der Verkehr wird viel weniger. Als dann kurz später drei ungefähr 6-jährige Kinder auf ihren Pferden über die Straße reiten wird mir bewusst, dass das hier die Mongolei ist, wie man sie sich vorstellt. Wir fahren nun stundenlang geradeaus und zu beiden Seiten sieht man eine unfassbare Weite der Natur, Tierherden und Jurten. Es ist wirklich sehr schön und ein sehr krasser Kontrast zur Millionenstadt Ulaanbaatar.
Nach einigen Stunden läuft plötzlich ein Kamel über die Straße und mein Gastvater erklärt mir, dass hier die Wüste Gobi anfängt, und es deshalb nun auch andere Tiere gibt, die hier leben. Es ist das erste Mal, dass ich Kamele in freier Wildbahn sehe und es fühlt sich ehrlich gesagt etwas surreal an.
Nach etwas mehr als fünf Stunden fahren wir dann von der Fahrbahn ab und über eine Sandpiste. Irgendwie lustig, da wir mit einem ganz normalen Auto unterwegs sind und nicht mit einem Allradfahrzeug, was hier auf jeden Fall sinnvoll wäre.
Nach einigen hundert Metern bleiben wir stehen und mein Gastvater versucht unseren Gastgeber und damit auch unseren Platz für die Nacht zu finden. Währenddessen erkunden mein Gastkind und ich etwas die Gegend. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich in einer Wüste bin und es fühlt sich wirklich besonders an. Kurz darauf meint mein Gastvater, dass wir falsch sind und so geht’s noch mal ins Auto und wir fahren ca. 20 Minuten in die andere Richtung.
Dort irgendwo im Nichts sind wir richtig: ich drei Jurten und unser Gastgeber, der uns auf einem Motorrad sitzend erwartet. Um ihn herum stehen ganz viele Schafe und Ziegen – eine wirklich besondere Art einer „Hotelrezeption“. Wir steigen aus und er zeigt uns unsere Jurte. Sie ist sehr einfach eingerichtet und neben drei Betten gibt es eigentlich nur einen Ofen in der Mitte. Es ist so spannend. Meine Gasteltern sind perfekt vorbereitet und haben die komplette Verpflegung dabei und so kann meine Gastmutter sogleich mit dem Kochen beginnen. Währenddessen schaue ich mit dem Gastkind die Umgebung der Jurte an. Wir entdecken den Ziegen- bzw. Schafsstall. Dort gab es scheinbar kürzlich Nachwuchs, denn es gibt ganz viele kleine Schafe und kleine Ziegen. Sehr süß!
Danach geht es zurück in die Jurte und wir essen zusammen koreanisches BBQ, was echt sehr lecker ist. Nach dem Essen holt das Gastkind plötzlich zwei Schlitten und wir laufen alle zusammen zu Sanddünen, die sich in der Nähe befinden und dort fahren wir mit dem Schlitten runter. So ganz perfekt funktioniert die Sandschlittenfahrt nicht, aber Spaß haben wir trotzdem.
Danach neigt sich der Abend schon dem Ende zu und wir essen eine warme Suppe mit Gemüse und Rindfleisch zu Abend. Nach dem Essen setzen wir uns dann noch einmal zusammen raus und beobachten die Sterne. Dadurch, dass wir so weit im Nirgendwo sind, ist der Sternenhimmel extrem beeindruckend. Ich habe noch nie so einen schönen Sternenhimmel gesehen! Man konnte sogar die Milchstraße erkennen – wunderschön!
Danach geht es ab ins Bett. Mein Gastvater hat zum Glück noch den Ofen angemacht und so war es schön warm in der Jurte. Genauso schnell wie es warm wurde, wurde es aber auch wieder kalt. Und so muss ich sagen, dass ich nachts schon etwas gefroren hab. Trotzdem war es eine echt schöne Nacht. Es war so ruhig und das Einzige, was ich gehört habe, war Hundebellen und das Meckern der Ziegen und Schafe…
Am nächsten Tag schlafen wir aus und genießen noch etwas die Ruhe dieses magischen Ortes. Nun sind auch die zwei Kinder der Familie, bei der wir geschlafen haben, mit der Mutter zuhause angekommen. Die Kinder sind drei und fünf Jahre alt und wir spielen den ganzen Vormittag zusammen mit ihnen.
Es ist echt total schön und ich frage mich, wie anders so eine Kindheit wohl sein mag im Vergleich zu der Kindheit, wie ich sie erlebt habe. Ein Aufwachsen im Einklang mit der Natur und mit Tieren als deine Spielkameraden. Das ist schon sehr besonders!
An diesem Tag erwartet mich noch ein besonderes Erlebnis: mein Gastvater und der Gastgeber führen mich zu einem Baum, etwa 300 Meter weg von den Jurten. Dort ist ein Kamel angebunden. Der Gastgeber bindet es los und mein Gastvater meint, dass ich das jetzt reiten soll. Gesagt getan. Der Gastvater nimmt die Leine und sagt irgendwas auf mongolisch und das Kamel setzt sich hin. Ich setzte mich auf den bunten Sattel und nach einem weiteren Befehl steht das Kamel langsam auf. Es ist recht ruckelig, da es zuerst mit den Hinterbeinen und dann mit den Vorderbeinen aufsteht. Aber als ich dann oben bin und es anfängt zu laufen, fühlt es sich toll an. Das Kamel ist sehr weich und ich kann es kaum glauben, dass ich jetzt hier inmitten der Mongolei das erste Mal auf ein Kamel durch die mongolische Natur geführt zu werden. Nach kurzer Zeit gibt mir der Gastvater die Leine selbst in die Hand und fordert mich auf, nun alleine zu reiten. Nach eine bisschen Herumprobieren habe ich den Dreh raus und so reite ich etwas in der Nähe vom Camp umher. Später reitet dann auch mein Gastkind und danach gönnen wir dem Kamel eine Pause, denn
meine Gastmutter hat Mittagessen gekocht. Es gibt Zuuivan, das sind gebratene Nudeln mit Fleisch, Kartoffeln und Karotten, was zu meinem Lieblingsessen in der Mongolei geworden ist.
Nach dem Mittagessen verabschieden wir uns von der Familie und brechen wieder Richtung Ulaanbaatar auf. Nach einigen Stunden Autofahrt landen wir wieder im Verkehrschaos der Hauptstadt und damit geht der wirklich sehr schöne Kurztrip zu Ende.
Ich bin meinem Gasteltern sehr dankbar, dass sie mir ein Osterfest ermöglicht haben, das ich wohl nie in meinem Leben vergessen werde.