Sunyani

Von Elefanten, Sklavenburgen und dem Stellenwertsystem – Abenteuer Roadtrip und Schulalltag in Ghana

Die Osterferien hier am Bezaleel Educational Complex haben begonnen und für meinen Freund Philipp, meine Mit-Volontärin Lucia und mich geht es damit auf in ein neues Abenteuer: Unseren Roadtrip rund durch Ghana! Frühmorgens um 5 sitzen wir schon an der Haltestelle in Sunyani und warten auf unseren Bus in Richtung Tamale. Unser heutiges Ziel: der Mole Nationalpark im Norden Ghanas! Sechs Stunden chaotische nigerianische Drama-Serien im Busfernsehen und etliche Schlaglöcher später werden wir endlich an der Kreuzung „Damongo Junction“ abgesetzt, von der aus wir mit dem Taxi weiterfahren müssen. Bald schon stehen wir vor der Eingangspforte mit der Aufschrift „Mole Nationalpark“, ein Highlight, auf das ich mich schon seit meiner Vorbereitung auf das Auslandspraktikum gefreut habe. Ein Highlight ist der Nationalpark, der mitten in Ghanas Baumsavanne liegt, allemal!  Auf einer Jeep-Safari können wir Elefanten, Antilopen, Warzenschweine und viele andere Tiere aus nächster Nähe beobachten und auch vor unserer Unterkunft zeigen sich die grauen Riesen nicht weit entfernt am Wasserloch. Es ist einfach etwas anderes, diese faszinierenden Tiere in freier Wildbahn zu sehen, als im Zoo hinter Gittern! In einem nahegelegenen Dorf namens Larabanga besuchen wir eine der ältesten Moscheen Ghanas und treffen eine Frau, die traditionell Sheabutter herstellt. Zum Mole Motel mit Pool und Restaurant in dem es vor „Obrunis“ (= weiße Menschen) nur so wimmelt, stellt das Dorf Larabanga mit seinen engen Gassen und Lehmhütten einen starken Kontrast dar und lässt mir wieder einmal bewusstwerden, in was für einer Blase wir manchmal leben… 

Leider geht es nach nur zwei Nächten im Mole Nationalpark aber auch schon wieder weiter in den Süden des Landes. Nur nicht, wie eigentlich geplant, mit einem Zwischenstopp in Kumasi, sondern 13 Stunden über Nacht einmal quer durchs Land bis an die Küste. Wir mussten spontan umplanen, da wir erfahren haben, dass nur Nachtbusse von unserer altbekannten Damongo-Junction in Richtung Süden fahren. Kein Problem für uns, denn ohne Spontanität ist man in Ghana sowieso schnell verloren! Somit ist unsere nächste Station eine Unterkunft in der Nähe von Cape Coast. Neben entspannten Stunden am Palmenstrand bietet es sich an, von hier aus viele weitere Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, die auf unserer Reiseliste stehen. Auf einer sehr emotionalen Führung durch die Sklavenburg „Elmina-Castle“ lernen wir viel über das dunkle Kapitel der Übersee Sklaverei und im Kakum Nationalpark setze ich das erste Mal in meinem Leben einen Fuß in den immergrünen Regenwald! Bäume wie Mahagoni oder Ebenholz, die mir bisher nur in Form von Möbeln oder als Musikinstrumente begegnet sind, stehen plötzlich in ganzer Größe vor mir. Das lässt mich gegenüber der Natur sehr andächtig werden….

Wenige Tage später setzen wir unseren Roadtrip entlang der Küste fort. Die Fahrt nach Busua unterschätzen wir allerdings vollkommen: Was auf der Karte nicht weit von Cape Coast entfernt aussieht, wird durch die gewöhnungsbedürftigen Straßenbedingungen und das Verkehrsaufkommen in Sekondi-Takoradi zu einer fünfstündigen Fahrt. Dabei fahren wir das erste Mal mit einem Tro-Tro, einer Art Kreuzung zwischen Minibus und Großraum-Taxi, in dem sich die Leute fast stapeln und der Kofferraum mit einem Seil zugehalten wird. Aber auch dieses Fahrt-Abenteuer lohnt sich! Busua ist ein Fischerdorf, das etwas abgeschieden in einer Bucht liegt. Die Atmosphäre dort wirkt sehr entspannt und sowohl Einheimische als auch Urlauber aus der Küstenregion und viele Volontäre leben dort Tür an Tür. Hier bekommen wir die Gelegenheit, uns einmal auf dem Surfbrett zu versuchen und von Butre (dem Nachbardorf) aus eine Kanutour durch die Mangrovenwälder zu unternehmen – inklusive Begegnung mit einem Alligator! Auf einem Spaziergang am Strand treffen wir auf eine Gruppe Fischer und als wir uns gerade umdrehen und zur Unterkunft zurücklaufen wollen, bitten sie uns, ihnen dabei zu helfen, ihr Netz aus dem Wasser zu ziehen. Ein bisschen stolz bin ich schon, als nach fast 2 Stunden der Fang am Ufer liegt. Ich werde auf jeden Fall nie wieder Fisch essen können, ohne an die anstrengende Arbeit denken zu müssen, die fast 30 Personen aufbringen mussten, um dieses eine Netz voller Fische an Land zu ziehen! Zum Glück bleibt in Busua aber auch genügend Zeit, um die Seele baumeln zu lassen, bevor es für uns letztendlich nach Accra und damit zu unserem letzten Ziel auf dem Roadtrip geht. 

Accra lässt mir bewusstwerden, dass ich mittlerweile wirklich in Ghana angekommen bin. Was mir bei meiner Ankunft vor fast 2 Monaten noch so ungewohnt und chaotisch vorgekommen ist, sehe ich nun durch völlig andere Augen. Im Vergleich zu vielen ländlichen Regionen wirkt Accra auf mich an machen Stellen fast wie eine westliche Metropole – ein Vergleich, der mir Mitte März sicher nie in den Kopf gekommen wäre! Trotzdem sind die sozial unterschiedlichen Schichten und Lebensbedingungen, die hier in Ghanas Hauptstadt aufeinanderprallen und nebeneinander existieren ein absolut bewegendes Erlebnis. Leider haben wir gar nicht so viel Gelegenheit, die Stadt zu erkunden, da wir ein ghanaisches Krankenhaus besser kennenlernen als uns lieb ist. Aber das ist eine längere Geschichte… Die „Touristen-Attraktionen“, wie der Kwame-Nkrumah-Nationalpark oder der Independence-Square in Accra dürfen natürlich trotzdem nicht fehlen. Ein guter Abschluss für unsere Rundreise durch Ghana, finde ich! Nachdem Philipp wieder auf dem Weg zurück nach Deutschland ist, steht für Lucia und mich am nächsten Tag auch schon wieder die Rückfahrt nach Sunyani an. Einerseits ist es schade, dass der Roadtrip schon wieder vorbei ist, andererseits freue ich mich unglaublich auf den nächsten Monat bei Pia und Emmanuel und auf all die Kinder an der Schule!

Wieder zurück am Bezaleel Educational Complex nimmt das Schulleben auch schon wieder volle Fahrt auf: Für die nächsten (und letzten!!!) vier Wochen bin ich für den Mathematikunterricht in Basic 1-4 zuständig. Ich entwerfe für jede Klasse einen Check-up-Test, um die Lernausgangslage zu ermitteln. Ausgehend davon beschließe ich, dass in allen Klassen die Grundlagen gefestigt werden müssen, eine Kopfrechenroutine zur Automatisierung hermuss und die Kinder erste Rechenstrategien kennenlernen sollen, um sich vom reinen zählenden Rechnen zu lösen. Mit Holzwürfeln, „Zehnerstangen“ und „Hunderterplatten“ erarbeiten wir uns Rechenstrategien am Stellenwertsystem, puzzeln aus zwei gebrochene Herzhälften „Verliebte Zahlen“ zusammen, werden Mathe-Fußball-Meister, erschütteln uns die Zerlegungen der Zahl 10 und vieles mehr. All das versuche ich nun regelmäßig in den Unterricht zu intergieren und dabei auch die Klassenlehrkräfte mit ins Boot zu holen, indem ich mit ihnen über die Hintergründe meiner Unterrichtsmethoden und -materialien spreche. Eine ausführlichere Einführung für alle Grundschullehrkräfte in die Mathematikdidatik, das Material und verschiedene Kopfrechenspiele und Kurzaktivitäten biete ich darüber hinaus in einem gesonderten Workshop an. Als mich ein Drittklässler hoffnungsvoll fragt, an welchem Tag wir das nächste Mal Mathe haben, lässt das mein Herz aufgehen! Und als dann an meinem letzten Unterrichtstag in Ghana sogar eine Gruppenarbeit erfolgreich funktioniert, bin ich richtig stolz auf mich!

In den letzten 3 Wochen sind auch zwei weitere neue Volontäre hier angekommen. Dadurch merke ich, dass ich mittlerweile wirklich ein „alter Hase“ hier an der Schule geworden bin…Die vielen neuen Menschen und all die Erfahrungen, die ich in Ghana in meinen letzten Tagen unbedingt noch mitnehmen will, lassen die restliche Zeit unglaublich schnell verfliegen. Ich kann es kaum glauben, dass ich gerade zwei Tage vor meinem Rückflug wieder hier in Accra sitze und meinen zweiten Blogbeitrag schreibe. Auch wenn ich mich schon sehr auf meine Heimat in Deutschland freue, werde ich richtig nostalgisch und sentimental, wenn ich an meinen Abschied vom Bezaleel Educational Complex denke – den Abschied von den Kindern in der Schule, die mir in meiner Zeit hier sehr ans Herz gewachsen sind, und vor allem von meiner wundervollen Gastfamilie, die für mich in den vergangenen zweieinhalb Monaten wie zu meiner eigenen Familie geworden ist.

In diesem Sinne sage ich „MEDASE!“ – DANKE für die wunderschöne Zeit hier in Ghana und hoffentlich bis eines Tages wieder!!!

Voller Dankbarkeit Eure Auntie Franziska!