Mit diesem augenscheinlichen Gegensatz lässt sich Kampala und das Leben vor Ort wahrscheinlich am besten beschreiben. Wenn man durch die Straßen des Stadtteils Bunga schlendert, sieht man ein Boda (Motorradtaxi) nach dem nächsten an einem vorbeifahren, klapprige Großraumtaxis, die ihre besten Tage schon lange hinter sich haben und alle 500m anhalten, um Fahrgäste aus- und einsteigen zu lassen, Hühner, die an jeder zweiten Ecke herumlaufen, sowie Menschen, die in kleinen Läden oder am Straßenrand Snacks wie Chapati (eine Art Fladenbrot), Samosas (Teigtaschen, gefüllt mit Erbsen) oder die Erträge aus dem eigenen Garten verkaufen. Und obwohl es einem als Beobachter zunächst wie ein unorganisiertes Chaos aus Mensch, Tier und Fahrzeug erscheint, erkennt man dennoch bald, dass dieses nach seinen eigenen Regeln, einer eigenen Struktur, funktioniert.



Dieses Phänomen eines ersten Eindrucks von einer Flut an Sinneseindrücken, die in der Wahrnehmung eines gewissen Chaos mündet, zeigte sich für mich ebenfalls in den ersten Tagen meines Praktikums an der Sekundarschule in Uganda. Die über tausend Schülerinnen, die teilweise in den Unterkünften der Schule untergebracht sind und teils jeden Morgen vor 7:30 Uhr ihren Weg aus den umliegenden Vierteln der Stadt Kampala antreten, hatten in den ersten Tagen wohl einen ähnlichen Kulturschock wie ich. Ich, die daheim nie Röcke trägt und es gewohnt ist, immer alles selbst von A nach B zu tragen, die bisher nur in Klassen von maximal 35 Schülerinnen unterrichtet hatte und Materialien in Hülle und Fülle – oder zumindest ein Schulbuch pro Zweiertisch – gewohnt war, fand mich in einem ziemlichen Kontrast wieder. Knielange Röcke waren sowohl für Schülerinnen als auch Lehrerinnen Pflicht, mein Extra-Stuhl wurde mir von A nach B getragen und die Klassenstärke betrug zwischen 40 und 120 SchülerInnen in einem für diese Anzahl meist eher engen Raum. Bücher waren meist nicht in ausreichender Menge verfügbar und obwohl ich mein Englisch-Level als relativ solide einschätzte, hatte ich in der ersten Woche aufgrund der anderen Aussprache Verständnisschwierigkeiten.

Doch wie oben bereits angedeutet, war die erste Woche nicht nur eine Eingewöhnungsphase für mich. Auch die SchülerInnen und LehrerInnen hatten Probleme, meinen Akzent zu verstehen. Meine Zurückhaltung und im Vergleich zu den Ugandern eher verschlossene Art muss für Fragezeichen gesorgt haben, genau wie meine Angewohnheit, meinen Rucksack immer auf den staubigen Boden anstatt auf den sauberen Stuhl daneben zu stellen.
Diese anfänglichen Schwierigkeiten legten sich jedoch bald und eröffneten großartige Möglichkeiten des gegenseitigen Lernens. So wurde ich direkt in der zweiten Woche gefragt, ob ich spontan den Teil einer Stunde übernehmen wolle und somit vor die Herausforderung gestellt, einer 120 SchülerInnen starken Klasse die Struktur eines formalen Briefs beizubringen. Was in den ersten zwei Stunden meine Stimme an ihre Grenzen brachte, wurde jedoch bald zur Gewohnheit. Durch das Vertrauen der Lehrkräfte, mich ab und an mit ihren Klassen allein zu lassen und auch die ein oder andere Vertretungsstunde zu übernehmen, lernte ich das nötige Maß an Flexibilität und Kreativität, um möglichst schnell auf eine gute Idee für einen Stundeverlauf zu kommen und diesen gegebenenfalls auch an eine mir wenig bekannte Klasse anzupassen. Bei all meinen Ideen wurde ich dabei stets vom Kollegium – insbesondere von meiner Mentor-Lehrerin – unterstützt und ermutigt, auch wenn eine Aktivität mal nicht so funktionierte wie erhofft. So wurde ich in fast alle Aufgabenbereiche einer Lehrkraft vor Ort eingebunden und konnte meine bisher im Studium erworbenen Fähigkeiten gut erproben und erweitern.



Alles in allem wurde ich nicht nur von den Lehrkräften, den SchülerInnen und dem gesamten Personal der Schule, sondern auch von meiner Gastfamilie herzlich aufgenommen. Micheal und Lydia – meine Gasteltern – und ihr Sohn halfen mir bei vielen meiner Herausforderungen, welche sich vom ersten Einkauf auf dem Markt bis hin zur Planung meiner Ausflüge in ganz Uganda erstreckten. Besonders mit Lydia, die Schulleiterin an einer Grundschule im selben Viertel ist, konnte ich mich gut über die Erlebnisse in der Schule austauschen. Zudem zeigte sie mir ein wie man ein paar der regionalen Gerichte kocht. Dank Micheal hatte ich zudem die Gelegenheit, jeden Mittwoch aus der Stadt herauszukommen und sein großartiges Projekt, das Rainbow House of Hope, kennenzulernen. Es war beeindruckend, sehen zu dürfen, was aus einem Stück Land auf einem Hügel, einer Vision und vielen engagierten Menschen entstehen kann. Besonders die Gespräche und wie sich jeder vor Ort einbringen durfte fand ich sehr inspirierend.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich eine sehr eindrucksreiche Zeit in Uganda erleben durfte. Und obwohl ich mich dem Chaos hin und wieder entziehen wollte, war jeder Tag ein neues, interessantes Abenteuer voller Lernmöglichkeiten, aufgeschlossener Menschen, wunderschöner Landschaften und ganz viel Sonne.

