Drei spannende Monate in Vietnam sind vergangen und ich bin wieder zuhause in Deutschland. In den zwölf Wochen habe ich tolle Menschen und ein sehr eindrucksvolles und facettenreiches Land kennenlernen dürfen. Vieles war ganz anders, als ich es aus Deutschland und meinen bisherigen Auslandsaufenthalten gewohnt war. In meinem letzten Blogeintrag versuche ich, meine Erfahrungen zusammenzufassen.
Hier kommen meine persönlichen Top 10 an Unterschieden zu Deutschland:
1. Klima bzw. Wetter
Für mich ist das definitiv der größte Unterschied und das, was mir bis zum Schluss am meisten zu schaffen gemacht hat. Zusätzlich zur Tag und Nacht andauernden brütenden Hitze kam irgendwann auch noch der Regen hinzu. Jeden Nachmittag fing es richtig an zu schütten, was zunächst eine angenehme Abkühlung brachte, jedoch ziemlich schnell einfach nur zu einer höheren Luftfeuchtigkeit führte.
Auf Dauer würden mir in Vietnam sicherlich auch die Jahreszeiten fehlen. Das ganze Jahr lang nur Sommer wäre nichts für mich.
2. Preise
Ach ja, schön war’s… in einem Restaurant bezahlt man für ein Essen meistens unter 4€. Eine Busfahrt mit dem Linienbus in Saigon kostet umgerechnet 20 Cent (egal wie lange man fährt, man zahlt immer denselben Preis), ein Bett in einem Hostel durchschnittlich 4 – 5€ pro Nacht (und da ist teilweise sogar noch Frühstück dabei :D)
3. Sprache
Ja okay, der Unterschied ist relativ offensichtlich und nicht nur für Vietnam spezifisch 😉 Dass ich mit einer Sprache konfrontiert werden würde, die ich nicht spreche, war mir auch vorher bewusst. Allerdings wusste ich nicht, wie schwer es ist, diese zu lernen. Die Grammatik scheint wohl nicht so kompliziert zu sein, die Aussprache dafür umso mehr. Wie im Chinesischen kann ein Wort ganz viele Bedeutungen haben, je nachdem, wie die einzelnen Laute betont werden. Und diese Unterschiede sind für europäische Ohren oft nicht zu hören…
4. Straßenverkehr
Darüber habe ich auch schon in den letzten Beiträgen geschrieben. Der Straßenverkehr ist einfach nur verrückt. Ein Auto haben nur wenige, ein Moped dafür gefühlt alle. Eine rote Ampel ist weniger eine Regel als vielmehr eine Art Vorschlag. Also weniger „Stop!“ als vielmehr „Schau halt zwei Mal, bevor du weiterfährst“. Abbiegen geht sowieso immer, da muss man auch bei rot nicht schauen. Und gefahren wird auch nicht nur auf der Straße, sondern gerne auch mal auf dem Gehsteig.
5. Korruption
Einen Führerschein braucht man fürs Mopedfahren nicht unbedingt. Nach übereinstimmender Auskunft diverser Vietnamesinnen muss man nämlich sowieso immer zahlen. Egal ob mit oder ohne Führerschein, wenn die Polizei einen anhält, ist man dran. Irgendwas finden sie immer. Das gilt in Saigon besonders für Einheimische und an anderen Orten teilweise auch für Touristen. In Mui Ne zum Beispiel wurde ich auch von der Polizei angehalten. Nachdem mir das Einbehalten meines Mopeds und meines internationalen Führerscheins angedroht wurde, durfte ich dann (natürlich…) auch bezahlen und weiterfahren. Mit meinen umgerechnet 20€ bin ich wohl noch ganz gut davon gekommen. Ich habe auch von Leuten gehört, die mehr als das Doppelte hinlegen mussten.
Aber auch in der Schule fließt an ungewöhnlichen Stellen Geld. Nach ihrem fertigen Studium müssen Junglehrer hohe Summen aufbringen und an Lehreinrichtungen bezahlen, um dort einen Job zu bekommen und arbeiten zu dürfen. Man könnte denken, dass das Lehrergehalt dann wenigstens sehr hoch und die finanzielle Aufwendung bald wieder eingeholt sei. Dem ist allerdings nicht so. Lehrer verdienen in der Schule nicht besonders viel. Ihren eigentlichen Lebensunterhalt verdienen sie mit privater Nachhilfe am Nachmittag. Um allerdings diese Nachhilfejobs zu bekommen, brauchen sie einen guten Ruf, das heißt eine Anstellung an einer möglichst guten Schule. Und je besser die Schule, desto mehr muss vorab für die Anstellung gezahlt werden…
Da dies ein Lehrerblog ist, bleibe ich bei den nächsten fünf Punkten auch beim Thema Schule:
6. Organisation
Weit im Voraus planen kann man leider nichts… alle Termine werden relativ kurzfristig bekannt gegeben. Das neue Schuljahr beispielsweise soll irgendwann Mitte August anfangen. Das Datum unterscheidet sich von Schule zu Schule. Ein genauer Termin ist allerdings noch an keiner Einrichtung festgelegt.
Auch in den Sommerkursen war bis zum Schluss einiges unklar. Ich weiß bis heute nicht, ob diese eigentlich verpflichtend waren oder nicht.
Im regulären Schuljahr kam es gegen Ende oft vor, dass wir deutschen Lehrkräfte morgens zum Unterricht erschienen und dann feststellten, dass keine Schülerinnen und Schüler anwesend waren und der Unterricht ausfiel. Das war oft ganz schön frustrierend und verstehen konnte es auch niemand so richtig.
7. Schuluniform
Schuluniformen für Schülerinnen und Schüler sind natürlich in vielen Ländern mehr oder weniger weit verbreitet. In Vietnam gibt es sie an allen Schulen, egal ob privat oder staatlich. Aber nicht nur die Lernenden haben Vorgaben in Bezug auf ihre Kleidung, auch die Lehrinnen haben eine Kleidervorschrift. Sie müssen in der Schule den Ao dai tragen, also die traditionelle vietnamesische Tracht, bestehend aus einer Hose und einer langen Bluse. Ihre männlichen Kollegen hingegen haben keine Vorgaben…
8. Klassengröße
Klar, wir haben alle gelernt, dass die Klassengröße nicht entscheidend für die Unterrichtsqualität ist… theoretisch 😉 Ich fand 40 Siebtklässler trotzdem anstrengender als 20 Siebtklässler. Und eine solche Klassengröße ist in Vietnam eben normal.
9. Lautstärke bzw. Disziplin
Natürlich kann ich nicht für alle Schulen in Vietnam sprechen, sondern nur von meinen Erfahrungen und dem, was ich erlebt und gehört habe, berichten. Die Lautstärke in den Klassen, in denen ich hospitiert und unterrichtet habe, war deutlich höher als die, die ich in meinen Praktika in Deutschland kennengelernt habe. Das lag zum einen daran, dass durch Ventilatoren und Geräuschen aus nebenliegenden Klassenzimmern und von draußen (Türen und Fenster waren wegen der Hitze meist offen) die Voraussetzungen schon mal schlechter waren. Es kam aber auch noch dazu, dass die Schülerinnen und Schüler im Unterricht viel mehr und auch viel lauter miteinander geredet haben. Die vietnamesischen Lehrkräfte schien das nicht zu stören. Normalerweise wird dann einfach das Mikrofon, das die Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht benutzen, lauter gedreht und weiter geredet. Einige Schülerinnen und Schüler kamen auch zu spät oder haben überhaupt nicht im Unterricht mitgemacht, Arbeitsblätter verweigert und Mangas gelesen, was für meine vietnamesischen Kolleginnen auch kein großes Problem gewesen zu sein scheint.
10. Nachhilfe
Mit dem Input in der Schule an sich ist es für die Schülerinnen und Schüler aber nicht getan. Die meisten nehmen nachmittags noch Nachhilfe oder gehen in Sprachschulen. Vor allem in Englisch hatten zumindest an meiner Schule fast alle Schülerinnen und Schüler noch Zusatzunterricht, häufig bei Muttersprachlern.
Auch wenn viele Punkte vielleicht zunächst eher negativ klingen, hatte ich trotzdem eine richtig tolle Zeit und viel Spaß. Ich konnte in meinem Praktikum sehr viel selbst machen und mich ausprobieren und habe diese Möglichkeit extrem genossen. Insgesamt war mein Auslandshaufenthalt eine tolle Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin.