Ghana

Einmal Busch und wieder zurück…

[10.07] Tamale – Festung des Nordens

Es kommt uns so vor, als hätten wir das alles schon einmal in einer der vielen anderen Städte Ghanas gesehen. Und doch sind es viele Kleinigkeiten, die Tamale, die Hauptstadt der Northern Region, doch etwas Individuelles und Eigenes verleihen. Die Kleidung ist arabisch und die Gesichtszüge der Menschen sind von anderen Kulturen beeinflusst, als im westlich geprägten Süden des Landes. Die Mehrheit der Bevölkerung sind hier Muslime, weshalb die Moscheen der Stadt die wohl prächtigsten und höchsten Bauten der Stadt sind. Auf den Straßen nimmt man Acht vor den vorbeiflitzenden TukTuks, aufgrund ihrer gelben Farbe hier Yello-Yello genannt, die von einigen ansässigen Indern importiert wurden. Der Verkehr ist erstaunlich übersichtlich, die großen Einfallstraßen bleiben vom Stau verschont. Lediglich die Ringstraße im Zentrum ist von vielen PKW’s, Motorrollern und eben Yello-Yellos verstopft. Doch im Großen und Ganzen ist Tamale eine ghanaische Stadt. Die Märkte, die Häuser der Stadt und die unzähligen Essensstände an den Straßen sowie die Lebensart der Menschen unterscheiden sich kaum von ihren südlichen Landsmännern und Landsfrauen.

Besucht man dagegen die ländlichen und abgelegenen Gebiete des Nordens, so stellt sich die Sache schon etwas anders heraus. Doch dazu später mehr…

Wir laufen auf dem Markt einer netten Dame in die Arme, welche uns den besten Schneider der Stadt empfiehlt. Wir wollen uns neue Anzughosen schneidern und endlich unsere verbliebenen Stoffe verarbeiten lassen. Nachdem die Aufträge abgegeben und die Preise verhandelt sind, suchen wir das Culture Centre der Stadt auf und durchstöbern die schon sooft gesehenen Souvenirläden nach schönen Mitbringseln. Leider können uns die zuvor von vielen Seiten angepriesenen Lederwaren nicht wirklich überzeugen und wir begeben uns zurück zur Unterkunft um uns unserer billigen, ghanaischen Schuhe zu entledigen und unseren schmerzenden Füßen eine Pause zu gönnen. Morgen wird sich jemand über eine Spende freuen!

Unser Abendessen nehmen wir wieder im wirklich empfehlenswerten Swad Fast Food Restaurant, das in der gleichen Straße wie das Catholic Guesthouse liegt, ein und fahren danach auf einen Absacker in die Stadt. Angeblich sind die Kebab-Fleischsticks in Tamale die besten des Landes. Der erste Fleischspieß von der Straße kann sein Versprechen halten, doch der zweite stellt unsere Mägen vor eine große Probe. Ihr dürft raten welcher Spieß der Bessere war: Einer davon war Rind, der andere Eidechse.

[11.07] Warten, Warten, Warten…

Zum Glück haben wir jede Menge Zeit und kein Problem damit zu warten. Ganz im Gegenteil, es ist sogar sehr interessant stundenlang am Straßenrand zu sitzen und Menschen bei der Arbeit und im alltäglichen Leben zu beobachten. Euphemistisch ausgedrückt ist das die Wahrheit, doch verbringen wir an diesem Dienstag den gesamten Tag irgendwo sitzend und blöd in unsere Handys starrend, teilweise essend, teilweise trinkend, aber immer auf irgendetwas oder irgendjemand wartend. Erst auf den fleißigen Schneider, der uns über Nacht ein Hemd, ein Kleid und zwei neue Kaschmir-Anzughosen anfertigte, aber trotz seiner flinken Finger das Prädikat „Windeseile“ von einem Sturm nicht zur Gänze verdient hat. 😉 Als er gegen zwei Uhr nachmittags fertig wird, ist unsere ursprüngliche geplante Abfahrtszeit nach Salaga schon um eine Stunde verstrichen. So kommt‘s, dass wir bis nach dem Nachmittagsgebet um 15 Uhr warten müssen, bis sich der rostige, verbeulte Bus mit Passagieren füllt und sich das Dach unter anderem mit Kühlschrank, Motorrad und unseren fast ebenso großen Rücksäcken beladen lässt. Irgendwann ist dann auch noch alles fachmännisch und ordnungsgemäß festgezurrt, die Ladung gesichert, die Passagiere in komfortablen Sitzen angeschnallt, und das TÜV-geprüfte Gefährt startet mit leise surrendem Motor seine Reise. Das Krachen, Scheppern und Rattern, der dunkle, qualmende und beißende Rauch kommen bestimmt von irgendwoher, aber sicher nicht von unserem glänzenden Sportwagen. Nicht.

Die ersten 40km Richtung Salaga verfliegen auf der geteerten Straße in angenehmen Reisetempo, dafür sind die restlichen knapp 80km auf der holprigen Staubpiste ein reinstes Vergnügen für Wirbelsäule und Halskrause und ziehen die Fahrt in die Länge. Es ist schon dunkel als wir im kleinen Städtchen Salaga ankommen und das aufgeladene Motorrad von vier Leuten bemerkenswert kraftvoll vom Bus gehoben wird. Wir machen uns zu Fuß auf Richtung Community Centre und checken dort nach essbarem Abendessen in unser Doppelzimmer (40 Cedi) ein. Meine im Mole Nationalpark eingefangene Erkältung inszeniert an diesem Abend ihren dramatischen Höhepunkt und ich bin heilfroh, dass Basti an diesem Abend das Reden und die Organisation für den morgigen Tag in die Hand nimmt. Ich falle kaputt und müde ins Bett und bemerke nicht, als Basti nach drei Folgen GOT neben mich unters Moskitonetz schlüpft.

[12.07] Wir sitzen auf gepackten Koffern und warten darauf, dass uns jemand mit einem Motorbike abholt. Wir wollen die Schule von Sir Rockson, Mathematik-Lehrer an der Schule an der wir unser Praktikum verrichteten, besuchen. Die Sonne beginnt gerade ihre volle Strahlkraft aufzuladen als die beiden Teenager mit ihren Motorrädern, chinesischer Bauart, um die Ecke biegen. Wir schwingen uns mit unseren riesigen Rucksäcken auf die kleinen Bikes und sind froh, dass der Motor die Last von zusätzlichen 110 kg stemmen kann. Eine abenteuerliche Fahrt steht uns bevor. Wir wissen nicht wohin, wir wissen nicht wie lang. Entgegenkommende monströse LKW’s der umliegenden Minenfirmen stauben unsere Augen und Gesichter voller Dreck. Mächtige Schlaglöcher stauchen unsere Rücken zusammen. Je länger die Fahrt wird, desto schlechter werden die Straßen und desto kleiner werden die Ortschaften. Die Jungs können ebenso gut Motorrad fahren wie ich, nämlich kaum. Die Motoren sind schwach und springen erst nach mehrmaligen Startversuchen wieder an. Wir schwitzen in der prallen Sonne. Die Straßen werden zu Wegen, die Wege werden zu fußbreiten Trails. Basti landet im Busch und ich erleide auf dem feinsandigen Untergrund einen Sturz. Unserer Schutzengel und Dummheit sei Dank. Es passiert beide Male nichts. Kurz vor der Ankunft stehen wir vor einem knietiefen Wasserloch, krempeln unsere Hosen auf und waten durch das Wasser. Danach setzen wir die Reise über Cassava-Felder und bewachsene Wege fort. Ich bin mir nicht sicher ob an diesem Ort wirklich Menschen leben und ob an diesem Ort wirklich eine Schule ist. Doch als wir nach über einer Stunde Fahrt zwischen Lehmruinen, Bäumen und Büschen hervorschießen, entdecken wir sofort die vielen Schüler und das blaufarbige Schulgebäude der Devaglu Presbytarian Primary School.

Wir werden von Sir Jacob, dem offensichtlich kleinem Bruder von Sir Rockson, herzlich in Empfang genommen und nach kurzem Willkommens-Gebet seiner Familie und den Schülern höchstoffiziell vorgestellt. Wir werden vor allem von den Jüngeren pausenlos angestarrt, kleine Babys erschrecken gar vor unserem strahlend weißen Antlitz. Wir sind seit einiger Zeit die ersten Weißhäuter die sich in dieses entlegene Fleckchen Erde verirrten. Wie einst die Könige zu Hofe werden wir umsorgt, nicht einmal unsere Sonnencreme-Tube oder unsere Socken dürfen wir selbst tragen. Stets war ein freundlicher Helfer darum bemüht, um uns diesen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Die ganze Familie erfreut sich an unserer Anwesenheit und legt sich für die ungewohnten Gäste richtig ins Zeug. Es wird frisches Fufu aufgetischt, es werden frische Fische aus dem Volta und frische Bettlaken über die Schaumstoffmatten gezogen, wo sich die hitze- und dreckbedingt nicht mehr ganz so frischen Bayern von den Strapazen des Tages ausgiebig erholen.

Wie viele Sterne werden eigentlich für die folgende Unterkunft vergeben? Kein Strom, kein Mobilfunknetz geschweige Wi-Fi, WC: Loch im Boden, Dusche: Eimer, Zimmer: muffelige Lehmhütte, Essen: ohne Anfrage, viel, frisch und mit regionalen Zutaten gekocht, Freizeitbeschäftigung: Baden und Fischen im Lake Volta, Betreuung: herzlichst, Nachthimmel: vom andern Stern. Wenn wir eine Bewertung abgeben sollen, dann würden wir den Aufenthalt mit folgenden drei Worten beschreiben: unvergesslich, einzigartig, ganz schön abenteuerlich und sowieso echt mega krass übertrieben ab vom Schuss.

[13.07] Zum Abschied drapiert sich die gesamte Großfamilie, inklusive Tante, OnkIMG_5337.JPGel, Oma, Opa und unzähligen Töchtern, Söhnen, Neffen, Nichten und Enkeln mit den Deutschen stolz vor ihrer Lehmhütte für ein Foto im staubigen Sand. Als endlich unser Abschiedskomitee zusammengetrommelt ist, werden uns die 20kg schweren Rücksäcke etwas taumelnd abgenommen und bis ans Ufer des Lake Volta geschleppt. Dort steigen wir gemeinsam mit Sir Jacob und vier fleißigen Ruderern, natürlich ein paar Schülern, in ein Kanu und werden bis zur nächstgrößeren Bootsanlegestelle befördert. Dort entern wir nach kurzer Wartezeit, in der uns mal wieder Fufu aufgestampft wurde, ein größeres Boot das uns nach Yeji bringen wird. In der prallen Mittagshitze schippert das Holzboot drei Stunden lang klanglos den Orkus hinab…

[14.07] Volta Region – Ho

Im Tro Tro von Kumasi nach Ho erhalten wir von einer ehemaligen Freiwilligendienstlerin aus Deutschland wertvolle Tipps über Ho und die Volta Region. Von unserem Abenteuer in der Schule wollen wir uns gleich in weitere Abenteuer in der ehemaligen deutschen Kolonie stürzen. Die aussichtsversprechenden Berge, tosenden Wasserfälle und spannenden Naturphänomene stehen schon seit Anfang an auf unserer Reiseliste.  Nach der kurzen Anreise von nur knapp 20 Stunden, aufgeteilt auf zwei Tage mit Übernachtung in Kumasi, und der Tro Tro Fahrt des Grauens, kommen wir endlich im Kekeli Hotel in Ho, Hauptstadt der Volta Region an. Wir verstreuen schnell unser Hab und Gut im Drei-Betten-Dorm (25 Cedi p.P.), montieren fachmännisch mit Tape und Rebschnur unsere Moskitonetze und machen uns dann schleunigst auf die Suche nach Bier, Bier und noch ein Bier. Schließlich hatten wir staatsexamensbedingt allen Grund dazu…

[15.07] Unseren Brand am nächsten Morgen löscht erst der traumhafte Ausblick vom Mount Adaklu, welchen wir uns wirklich hart erkämpfen mussten. Zunächst räumte unser Taxifahrer ein anderes blöd herumstehendes Taxi aus dem Weg (Achsenbruch inklusiv). Dann musste jeder 15 Cedi löhnen, wir auf dem steilen Weg unser verbliebenes Klettergeschick aufbieten. Nachdem Basti mit Wegzoll (Sonnenbrille gegen Bienenstiche) bezahlte, konnten wir schlussendlich die fast unendliche Weite des Ausblicks vom Inselberg genießen. Die Götter des heiligen Berges spuckten das Sonnenbrillen-Opfer unverhofft wieder auf den Wegesrand, als wir uns vom Berg hinabseilten. Auch der Rückweg war nicht von guten Geistern und Guide (kleiner Tip) verlassen und konnte diesmal ohne Unfall bewerkstelligt werden.

[16.07] Nach kurzer Tro Tro Fahrt (12 Cedi) Richtung Hohoe kamen wir am Fuße des Mount Gemi in der Mountain Paradise Lodge, von dem wir im englischen Reiseführer (Bradt) der deutschen Touristin gelesen hatten, an. Das vier Quadratmeter große Zimmer (57 Cedi) bietet uns beiden genug Platz um uns ausgiebig zu entfalten und wohlzufühlen. Auch der herrliche Ausblick von der Terrasse, die frischen Säfte und freundliche Mitarbeiter und Gäste helfen dabei eine Erkältung auszukurieren. Noch am gleichen Tag schnuppern noch die reinigende Bergluft des Mount Gemi, dessen Aufstiegspfad uns aufgrund der Steilheit und Unwegsamkeit doch ordentlich zum Schnaufen bringt. Als wir aus der Schlacht gegen das grüne Dickicht als Sieger hervorgingen, mussten wir im Kampf gegen die Touristen-Office-Heinis aus Amezdofe all unsere rhetorischen Geschütze auffahren. Gegen Davids deutsches Durchsetzungsvermögen war in diesem Fall kein Kraut gewachsen, so konnten wir uns über einen fünfzig prozentigen Discount von sagenhaften 10 Cedi (2,20 €) freuen und den grasbewachsenen Hügel mit stolzer Brust erklimmen. Schließlich haben wir es satt ständig von allen (Taxifahrern, Touri-Guides, Orts-Chiefs und sonstigen Quacksalbern) für alles (Fahrten, Wege, Attraktionen, Naturlandschaften oder einfach Nichts) geschröpft zu werden, wie eine fette Weihnachtsgans.

[17.07] Die Lächerlichkeit des überteuerten Frühstücks ist eigentlich keiner Rede wert, doch möchten wir hiermit auf gewisse Missstände hinweisen und damit nachfolgende Reisende informieren. Mit Crackern und Wasser aus dem anliegenden Bergdorf gestärkt, mussten die aufkeimenden Symptome der Grippus homos maskulines durch den richtig harten Stoff in Form von den homöopathischen Wundermitteln Regenaplex, Infi-Momordica, Rescue-Bachblütenessenz und Ingwer-Guatln, behandelt werden. Trotz schwerwiegender, akuter Leiden konnten wir uns von den anderen Hotelgästen zu einer kleinen Wanderung überreden lassen. Für weitere 10 Cedi p.P. ging es auf einen sehr lohnenden Trip, vorbei an drei Wasserfällen des Kulugu Rivers und sämtlichen Nutzpflanzen-Plantagen, wie Kakao, Cassava und dem altbekannten Mais. Über Stock und Stein, entlang rutschiger Felsen und verwachsener Pfade, und mit der Hilfe des Machete-schwingenden Guides und einigen hilfreichen Seilen, bahnten wir uns den Weg durch den grünen Dschungel.

Und wenn wir uns nicht verlaufen haben, dann sitzen wir jetzt hier und schreiben diese Zeilen. Aus dem magisch dunklem Tal weht der Wind um unsere verkühlten Nasen, die Blätter rauschen und die Feuchtigkeit unserer verschwitzten Shirts findet in der getränkten Luft keinen Abnehmer. Zeit um dem schreiberischen Wahnsinn Einhalt zu Gebieten…Gute Nacht.