Es ist nun zwei Wochen her, dass ich in Oslo (auf norwegisch Uschlu ausgesprochen) angekommen bin. Es war ein Sonntagmorgen und die Straßen rund um das Bussterminalen waren wie ausgestorben. Da waren mir die Osloer gleich mal sympathisch – Ausschlafen am Wochenende mag ich schließlich auch gerne. Doch auch wenn die Stadt wie leergefegt wirkte, hat sie sich von ihrer schönsten Seite gezeigt: Die Sonne über dem Fjord, das Glitzern des Wassers und die imposanten Gebäude wie das Operahuset haben mich gleich willkommen geheißen. Als ich dann noch eine Horde nackter Menschen von einem kleinen, hölzernen Saunahäuschen im Fjord ins Wasser springen sah, war es um mich Geschehen – noch nie habe ich mich so schnell in einer fremden Stadt zuhause gefühlt, wie hier.
Seitdem ist viel passiert: Zunächst habe ich meine Betreuungslehrkraft und die Schule im Westen Oslos, die Ullern videregående skole, kennengelernt. Die Lehrkräfte haben mich von Anfang an mit offenen Armen und sehr viel Herzlichkeit empfangen: Eigene Schlüsselkarte für alle Räume, eigener Schreibtisch, von der Schule gestellter Laptop und tägliches gemeinsames Mittagessen mit den Kolleg:innen. Man braucht sich keine Sorgen machen, dass man in der Schule alleine wäre: Jeder spricht einen an, erkundigt sich, fragt interessiert nach und lädt einem zum Mittagessen ein. Jeden Freitagmittag gibt es eine Weinverlosung und von den Sonderschüler:innen selbst gebackene Skolebolle (ein traditionelles Gebäck, das ich unbedingt empfehle zu probieren). Die Atmosphäre im Aufenthaltsraum der Lehrkräfte ist so viel herzlicher und entspannter als in Deutschland, dass man gar nicht anders kann, als sich wohl zu fühlen. Da die Schule im ‚reichen‘ Westen der Stadt ist (im Gegensatz zum ‚ärmeren‘ Osten, getrennt durch den Fluss Akerselva) gehören die Schüler:innen eher der Oberschicht an und brauchen einen sehr guten Notenschnitt, um hier überhaupt in die Schule gehen zu können. Das merkt man als Lehrkraft natürlich an einer im Gegensatz zu deutschen Klassenzimmern homogeneren Schülerschaft und einer im Durchschnitt äußerst hohen Lernmotivation. Das ‚Du‘ zwischen Lehrkräften und Schüler:innen ist selbstverständlich und ihr Verhältnis von einer so freundschaftlichen Art und Weise geprägt, dass man den gegenseitigen Respekt direkt spüren kann. Die Schule ist also rundum ein Ort zum Wohlfühlen.
Da die Stadt für mich anfangs noch ganz neu war, bin ich natürlich auch noch ‚Tourist:in‘. Nach etlichen Spaziergängen durch die Stadt, die einem einen guten Einblick in die unterschiedlichen Viertel und Sehenswürdigkeiten geben, kann ich vor allem auch die Wanderungen um Oslo empfehlen. Als Münchner:in ist es für mich bereits selbstverständlich am Wochenende mal mit dem Zug in die Berge zu fahren und wandern zu gehen. Doch hier braucht man bloß ein paar Stationen mit der T-Banen (vergleichbar mit der U-Bahn in Deutschland) oder der Trakk (der Trambahn) zu fahren, und schon befindet man sich auf einer Anhöhe mit wunderschönem Ausblick über die Stadt und etlichen Kilometern an Wald vor einem. Die Natur überrascht einen immer wieder mit ihrer Schönheit (kleine Steinschluchten, Seen, Moore, die letzten Reste Schnee, eine grüne Skipiste …) und es gibt eine unüberschaubare Anzahl an Möglichkeiten seinem Bewegungsdrang freien Lauf zu lassen. Das für mich dabei Erstaunliche: Verlässt man auch nur ein bisschen die großen Hauptwanderwege, ist man komplett allein und begegnet keiner Menschenseele – immer mit dem Wissen, dass die nächste U-Bahnstation nur ca. 30 Minuten entfernt liegt.
Die Osloer sind neben ihrer Begeisterung für sportliche Aktivitäten (und das merkt man wirklich sehr im Alltag: überall sieht man Menschen, die joggen oder Radfahren oder deren Sportklamotten einem sagen, dass sie gerade auf dem Weg vom oder zum Sport sind) auch gerne beim Kaffeetrinken. Das kommt meiner persönlichen Kaffeeleidenschaft natürlich zu Gute. In etlichen süßen Cafés wie der Kaffebrenneriet lässt sich ein leckerer Kaffe und ein Kanelbolle (eine Art Zimtschnecke) entweder drinnen oder bei gutem Wetter draußen genießen. Auch wer offen für die Kulinarik aus der ganzen Welt ist, findet in Oslo fast an jeder Ecke ein einladendes Restaurant. Der einzige Nachteil: Es ist unglaublich teuer. Es schadet also nicht ein bisschen zu sparen, bevor man nach Oslo kommt.
Für die Kulturinteressierten gibt es eine Unmenge an Museen, die man besichtigen kann. Ich habe bisher nur das Friedensnobelpreismuseum und das Klimathuset (ein Museum zum Thema Klimawandel) besucht, kann aber beide sehr empfehlen. Mit einer Fähre kann man zu den kleinen Inseln im Fjord fahren, die zum Spazierengehen und Picknicken einladen – oder auch zum Schreiben dieses Blogs ;). Am Holmenkollen, der weltbekannten Skisprungschanzen, kann man jetzt im Mai nur erahnen, was Wintersport für die Norweger:innen bedeutet und gleichzeitig mal wieder die Aussicht über Oslo und den Fjord genießen. In Grünerløkka lädt die entspannte und junge Atmosphäre zum Vintage-Shopping oder am Wochenende auch zum Feiern ein. Feiern können die Osloer:innen nämlich ganz gut – und dabei wird auch gerne mal etwas zu tief ins Glas geschaut. Die Nachtbusse bringen einen aber immer sicher nach Hause und die Norweger:innen sind auch auf der Tanzfläche so herzlich und offen, dass man oft ins Gespräch kommt und sich so immer sicher und gut aufgehoben fühlt. Dabei ist es kein Problem, wenn man kein Norwegisch spricht (so wie ich): Mit Englisch kommt man wirklich immer und überall perfekt zurecht und die Norwegische Sprache ist in ihren Grundzügen als Deutsche:r recht schnell verstanden, sodass ein Hej (Hi), Takk (Danke) und Ha det bra (Tschüß) schnell gelernt ist.
Auch wenn ich erst zwei Wochen hier bin, könnte ich noch so viel mehr über Oslos Sehenswürdigkeiten, seine Menschen und das Lebensgefühl erzählen. Für mich ist die Stadt wirklich ein Ort zum Ankommen, Wohl- und Zuhause-Fühlen und ich bin äußerst dankbar, dass ich diese Gelegenheit bekommen habe. Ich kann also jedem:r also nur dazu raten, dieses Abenteuer zu wagen. Und ich bin sehr gespannt, welche weiteren Erlebnisse auf mich hier in Oslo und Norwegen noch warten werden. Die einzige Sorge, die ich jetzt bereits habe: Was ist, wenn ich nicht mehr zurück nach Hause möchte? Ein Wagnis, das ich für diesen tollen Ort gerne in Kauf nehme.