Da ich nicht weiß in welchen Abständen ich diesen Blog weiterführen kann schreib ich nun mal einfach drauf los…
Der Abflug in München ist früh um 6:05 Uhr am 04.05.2017. Nach einem Zwischenstopp in Lissabon kommen wir um kurz vor 15 Uhr in Accra an. Es ist schwül und regnet leicht als wir am Kotoka Airport aus dem TAP-Flieger, A320, aus dem Flieger steigen. Während des Fluges schliefen wir die meiste Zeit und ließen uns nur zum Essen und Bier trinken wecken. Kurz vor Landung suchten wir im Reiseführer noch nach einem Hostel und waren voller Vorfreude auf die Zeit in Accra und Ghana.
Die Zollkontrolle überstehen wir mit kleinen Lügen problemlos und schon stehen wir in der Ankunftshalle in Accra und werden vom ersten Taxifahrer eingepackt Richtung Innenstadt gebracht.
Mit dem Miettaxi (40 Cedi) in die Innenstadt zum Hotel Crown Prince, welches dem afrikanischen Standard für 15€ pro Nacht gerecht wurde. Eimerdusche, etwas schäbige Einrichtung, bequeme Betten und ein gutes, preiswertes Restaurant. Der erste Spaziergang durch die umliegenden Gassen ließ unsere Euphorie noch weiter steigen. Denn die vielen Blicke und freundlichen „Welcome to Ghana“ Rufe vermischt mit „Obrini“ (Weiße) und etwas unverständlich hinterhergerufenem oder feil gebotenem waren wie in unseren Vorstellungen und vielleicht sogar noch ein bisschen besser. Nach dem ersten „Club“ Beer, und nicht ohne die traditionellen Gerichte Fufu und Yam zu probieren, gingen wir nach einem langen und anstrengendem Tag sehr früh zu Bett.
12 Stunden später weckte mich Basti mit dem verzweifelten Versuch die klemmende Tür zu öffnen, als er vom Eimerduschen zurückkam. Wir beschlossen unsere 7 Sachen (Sonnenbrille, Stutencap, Sonnencreme, Malarone, Buch, Handy, Geldbeutel) schnellstmöglich einzupacken und uns ein Frühstück an einem der vielen Straßenstände zu besorgen. Für 2 Cedi holten wir uns Bread&Egg. Was nichts anderes ist als Spiegelei mit Zwiebel im Weißbrot. Gestärkt machten wir uns die Kojo Thompson Road entlang auf den Weg Richtung Makola Market. Mit jedem Schritt den wir näher Richtung Markt kamen, nahm die Dichte der Menschenmasse und der angebotenen Waren zu, bis wir im Marktdschungel zwischen Papaya, Mango, Tomate, Salat, Avocado kaum mehr vorankamen. Kaum blieben wir stehen, scharrten sich vor allem junge Männer um uns, die sich freundlich vorstellten und ihre Kenntnisse als Tour-Guide unter Beweis stellen wollten. Natürlich um den ein oder anderen Cedi abzustauben. Farbenprächtig, laut, und hektisch. Überwältigend, was man alles in diesem Straßenverbund zu kaufen bekommt. Bunte Stoffe, genähte Kleider, Taschen, Schuhe, allerlei Haushaltsware, Fisch, Fleisch, Seife, einfach alles. Und auch alles und jeder versucht seine Waren durch geschicktes Handeln an den Mann und die Frau zu bringen. Oftmals begleitete uns etwas Unbehagen, als wir durch die engen Gassen des Marktes schlenderten, wohlwissend, dass wir wandelnde weiße Geldbeutel vor allem mit Basti‘s Kamera große Aufmerksamkeit erregten. Ein paar Cedis leichter, dafür mit Mango und Ananas im Gepäck machten wir uns auf den Weg Richtung Strand, mit dem Vorhaben unser saftiges Obst mit schönem Blick aufs Meer zu verspeisen.
TIA. This is Africa.
Der Marsch Richtung Meer in brütender Hitze und eierlegender Schwüle machte uns zu schaffen, nachdem wir uns den vierten Liter Wasser besorgten liefen wir schnurstracks zum Strand. Oder soll ich sagen Müllhalde. Favela. Slum. Als wir uns zwischen Autowracks, schäbig zusammengezimmerten Holzhütten, Bergen aus Plastikmüll und sonstigen Abfällen wieder fanden wurden wir stumm. Kinder liefen umher, irgendwo her stieg beißender Rauch auf, Ziegen wurden über Müllberge getrieben, Schweine suhlten sich im Schlamm, einer dreckigen Brühe aus Öl, Wasser und Plastik mit direktem Abfluss ins offene Meer.
Die Stadt ertrinkt im Müll, erstickt unter der Last den Menschenmassen Arbeit und gesicherte Zukunft zu gewährleisten und doch verliert hier niemand die Hoffnung wie uns freundliche Bewohner des Slums bewiesen, welche uns ein Stück den Strand entlang begleiteten. Die Hoffnung auf Arbeit trieb die beiden aus dem kargen Norden, der für die ehemaligen Farmer nicht mehr genügend Ertrag abwarf um die Familie zu ernähren, in die aufstrebende Metropole Accra. Als Trommelbauer und –lehrer versuchen sich „The Brothers“ nun über Wasser zu halten. Uns wurde allerdings schnell klar, dass der scheinbar zufällige Spaziergang in eine Guidetour ausarten könnte und verabschiedeten uns deshalb von den beiden um uns alleine auf den Weg zurück Richtung Innenstand zu machen. Keine 50 Schritt weiter und direkt neben dem Independence Arch entdeckten wir einen Bolzplatz. Asche mit abgesteckten, kurvigen Seitenlinien, auf dem zwei U11-Teams aus Accra in der prallen Sonne vollen Einsatz zeigten. Naja, zumindest das Team „Dortmund“ mit den schwarz-gelben Trikots welches den Gegner schon nach wenigen Minuten in Grund und Boden spielte und haushoch führte.
Nach einer erholsamen Pause im Schatten zwischen Independence Arch und altem Stadion schlurften wir Richtung Kwahme Nkrumah Memorial und lieferten uns dabei ein Wettrennen mit einem alten Bulldog, der im Stau steckte. Nachdem wir das Rennen mit deutlichem Vorsprung gewannen, liefen uns auf einmal zwei bekannte Gesichter über den Weg. Die beiden Trommelbauer fingen uns wohlwissend, dass wir diese Straße wieder zurück laufen würden, ab und überredeten uns dazu ihren Trommelverkaufsladen anzuschauen. „The Brothers“ eine Gruppe von Trommelbauern aus dem vorherigem Viertel spielte uns vor und auch wir lernten die ersten Beats auf den selbstgebauten und verzierten Drums. Mit viel Verkaufsgeschick, unser schlechtes Gewissen ausnutzend, drehten sie uns zwei schöne selbstgemalte Bilder an, deren Erlös auch einem Projekt mit Waisenkindern zugutekommt. Dafür halt das nächste Mal einen Gin Tonic in der Münchner Nobelbar weniger…
Nachdem Cedi und Bilder ausgetauscht wurden begleiteten uns die beiden freundlicherweise bis zum Memorial, das wir aufgrund von Eintrittskosten links liegen ließen. Stattdessen gönnten wir uns noch eine frische Kokosnuss und liefen wieder Richtung Makola Market. Was in der früh schon übervoll, überfüllt und überwältigend war, wurde in den Mittagsstunden noch um ein zehnfaches übertroffen. Auf allen umliegenden Straßen, Seitengassen, mitten auf einer der Hauptverkehrsstraßen schlugen Händler, Verkäufer und tausende Menschen ihre Zelte und Schüsseln auf um ihre Waren zu verkaufen. Der Verkehr kam vollends zum Erliegen. Ein Gedränge sondersgleichen. Basti und ich mussten aufgrund unserer Größe ständig den auf dem Kopf der Trägerinnen balancierten Waren ausweichen und waren heilfroh als wir endlich wieder in ruhigeres Gefilde kamen. Eine Reizüberflutung: Gerüche, Geschmäcker, Farben, Menschen und pulsierendes Leben, das man wirklich hautnah zu spüren bekommt.
Nach unserem Gewaltmarsch und einem leckerem Snack legten wir unsere erschöpften Körper nieder und starteten ins Nachtleben Accras. In einer Bar direkt um die Ecke lernten wir den 67-jährigen Saaba kennen, der uns den ein oder anderen Tipp für unsere Zeit in Ghana mitgab. Bei Club Beer und unfassbar lecker gewürzten Kebab-Fleischspießen kamen wir so richtig in Accra an und freuten uns endlich hier zu sein und mit den Einheimischen Menschen zu reden und zu leben. Als nur noch Barfrau Rose und wir beide in der Bar waren entschlossen wir uns noch eine Runde um den Block zu drehen. Wundervoll, herrlich wie die Menschen hier leben und arbeiten. Eine Freude ihnen dabei zuzusehen.
Als wir eine Bar querten in der West Ham (mit dem ghanaischen Topstar Andre Ayew) gegen Tottenham übertragen wurde entschlossen wir uns noch ein letztes Bierchen zu trinken. Allerdings hatten wir nicht die Rechnung mit Akim gemacht, der wie Tischlein-Deck-Dich für eine stets gefüllte Flasche Bier sorgte. Nach der altbekannten Hitler-Diskussion und anfänglichen Nettigkeiten redeten wir mit Akim wirklich über Gott und die Fußballwelt. Als wir zum zehnten Mal betonten, dass wir kein Bier mehr wollen und unsere europäischen Mägen keinen Vollrausch vertragen lud er uns kurzerhand ein uns seine Hood zu zeigen. Wir schüttelten viele Hände und mussten noch ein Bier an einer coolen Straßenbar trinken, bis er uns zum Hostel begleitete und wir hundemüde „and a little bit dipsy“ endlich ins Bett fallen konnten.
Mit einem leicht flauem Magen und einem leicht pochendem Kopf wachten wir auf und verließen das Hostel mit Ziel Kokrobitey Beach. Mit leckeren Teigbällchen als Frühstück setzten wir uns in ein Taxi und ließen uns vom zunächst orientierungslosen Taxifahrer zu Big Milly’s Backyard in Kokrobitey kutschieren…
[08.05.17]
Wir verbringen zwei schöne Tage am Strand. Kokosnuss, Ananas, Kebab, Strand, Meer. Kleine Kinder fahren uns mit ihren Fingern durch die Haare. Diese schneeweisen Astralkörper faszinieren nicht nur Kinder sondern auch viele andere nette Menschen, die in zweiter Linie aber immer auf der Suche nach einer Nebeneinkunft sind. Seien es der selbsternannte Reggae-Star Fannaseh oder die Zwangsprostituierten Jessica und Precious, vermutlich beide noch minderjährig. Das Motto „Peace, Love and Harmony“ wird von ihnen oft genutzt um uns zu schmeicheln und uns um den Finger zu wickeln, nur um dann den ein oder anderen Cedi oder ein Bier abzugreifen. Sie nennen es „Sharing with brothers“, wobei das eher als „Taking from brothers“ verstanden wird. Doch das ist eben genau deren Masche. Mitleid erregen oder Vertrauen erwecken, immer mit der Aussicht auf das schnelle Geld des weißen Mannes. Kalt lassen uns weder das Wetter noch die schockierenden Lebensgeschichten der Menschen. Nachdenklich und etwas bestürzt ins Meer schauend wünschen wir ihnen Alles Gute für die Zukunft und viel Glück in ihrem Leben, denn ohne Glück scheint es hier nicht zu funktionieren.
Nebenbei lernen wir mit jedem Tag neues kennen, zum Beispiel ist „adidas“ das Akronym für „all day I dream about sports“. 😉 Sowohl mit unseren Adidas Jacken als auch unseren fußballerischen Qualitäten können wir überzeugen und finden mit Victor und Slim Jimmy am Strand neue nigerianische Freunde.