Namibia School Project Teilnehmer
Namibia

Wir ließen uns von Corona nicht unterkriegen

Freitag der 13. Ein ganz normaler Schultag. Wie jeden Freitag wurden auch heute nach der Schule die „Students of the week“ ausgezeichnet. Anschließend gab es noch Hotdogs, bevor die Schüler ins wohlverdiente Wochenende entlassen wurden. Niemand hätte gedacht, dass es fast vier Monate dauern sollte, bis man sich wiedersehen würde.

An diesem Wochenende ging alles sehr schnell. Corona hatte mittlerweile auch Namibia erreicht. Am Samstag wurden die ersten beiden Fälle des SARS-CoV-2 nachgewiesen und noch am selben Tag sämtliche Flugverbindungen u.a. nach Deutschland für 30 Tage außer Kraft gesetzt. Am Sonntag erreichte uns schließlich die Nachricht, dass alle Schulen im Land geschlossen und die Ferien vorgezogen würden. Zwei Tage später rief Staatspräsident Hage Geingob auch noch den Ausnahmezustand aus.

Drei der fünf Praktikanten in Rundu entschlossen sich schließlich, mit der weltweiten Rückholaktion der Bundesregierung möglichst schnell nach Deutschland zurückzukehren. Obwohl das Namibia School Project für beendet erklärt wurde, fassten Rebecca und ich den Entschluss, auf eigene Verantwortung in Namibia zu bleiben. Für Amelie, Anne und Kathrin hieß es, sich nun nach Otjiwarongo zu begeben, um dort mit den anderen Volunteers aus Tsumeb und Otji auf ihren Rückflug zu warten.

Am 27. März wurde ein dreiwöchiger Lockdown für die Regionen Erongo und Khomas ausgerufen, da dort die meisten Corona-Fälle gemeldet wurden. Die ersten Auswirkungen der Pandemie waren mittlerweile auch in Rundu zu spüren. Eine sonst immer lebhafte Stadt war wie leer gefegt und sämtliche Geschäfte hatten geschlossen. Positive Nachrichten gab es dagegen für alle Freiwilligen, die Ende März und Anfang April die sichere Rückreise nach Deutschland antreten konnten.

Der Alltag in Rundu wurde mittlerweile durch lange Warteschlangen vor den Supermärkten bestimmt. Es galten überall Abstandsregelungen und vor dem Betreten der Geschäfte mussten die Hände desinfiziert werden. Die Nachfrage nach Masken und Plastikhandschuhen nahm ebenfalls stetig zu.

Wir ließen uns von Corona aber nicht unterkriegen und unternahmen einen Ausflug in den nahegelegenen Caprivizipfel. Neben den beeindruckenden Nationalparks kamen wir in den Genuss, kostenlos in einer Jagdfarm zu schlafen. Da wegen Corona alle Touristen abgereist waren oder storniert hatten, waren wir dort alleine und konnten für drei Nächte bleiben.

Am 14. April wurde der Lockdown bis einschließlich 4. Mai verlängert und auf das gesamte Land ausgeweitet. Dies hatte auch zur Folge, dass die Schulen weiterhin geschlossen blieben. Nach dem Ende der Ferien waren wir Lehrer dennoch angewiesen, unter der Woche in der Schule zu erscheinen. Obwohl die Treehouse Academy eine Privatschule ist, hatten nur die wenigsten Schüler wirklich Zugang zum Internet. So wie ihnen erging es mehr als 800 000 schulpflichtigen Kindern in ganz Namibia, was mehr als 98% ausmachte. An E-Learning war daher nicht zu denken.

Für die Lehrer, Schüler und Eltern war die aktuelle Situation eine ganz neue Herausforderung, der wir uns aber gemeinsam stellen wollten. Unsere Aufgabe als Lehrer war es nun, Unterricht für die nächste Schulwoche vorzubereiten und abgegebene Arbeiten der Schüler zu korrigieren. Es dauerte einige Zeit, bis sich die Abläufe sowohl bei den Lehrenden als auch den Lernenden eingestellt hatten. Die Schüler hatten während der Zeit des „Distant Learning“ immer die Möglichkeit, in der Schule vorbeizuschauen und dort Fragen und Unklarheiten direkt mit den Lehrern zu besprechen.

Am 30. April gab der Präsident bekannt, dass der nationale Lockdown vier Tage später enden sollte. Sämtliche Geschäfte und Märkte durften damit wieder öffnen, Schulen dagegen blieben weiterhin geschlossen. Ab sofort galt nun auch eine Maskenpflicht in der Öffentlichkeit. Beim Betreten von Geschäften und Märkten musste man sich von jetzt an in Listen eintragen und die Temperatur messen lassen.

Mittlerweile war es auch wieder möglich, innerhalb Namibias zwischen den Regionen zu reisen. Diese Gelegenheit nutzten Rebecca und ich, um über Christi Himmelfahrt das Land zu bereisen. Das Einzigartige an diesem Roadtrip war, dass wir an Orten wie in Sossusvlei oder an der Spitzkoppe alleine waren, da wegen Corona keine Touristen nach Namibia gekommen waren. Man merkte deutlich, wie sich die Tier- und Pflanzenwelt in diesen Zeiten vom Mensch erholen konnte. Am Ende unserer Reise fuhren wir noch nach Swakopmund, wo wir Isabella und Tim vom Projekt trafen, die ebenfalls in Namibia geblieben waren.

Am 3. Juni wurde der Schulbetrieb schließlich wieder für die Jahrgangsstufen 11 und 12 aufgenommen. Am 22. Juni sollten dann auch die Jahrgangsstufen 0, 1, 2 und 3 folgen. Da die Treehouse Academy eine Grundschule ist und in Namibia die Grundschulen bis zur 7. Klasse gehen, bedeutete das, dass zumindest ein Teil der Schüler in den Unterricht zurückkehren durfte. Leider kam es wieder anders als gedacht. Am Tag bevor die Schule losgehen sollte, wurde bekannt gegeben, dass aufgrund der derzeit stark steigenden Fallzahlen der Neustart für die Jahrgangsstufen 0 – 3 erneut um zwei Wochen nach hinten verschoben werde.

Am 7. Juli war es schließlich so weit: Grade 0 – 3 durfte wieder in die Schule zurückkehren. Die Schüler mussten beim Betreten des Schulgebäudes Masken tragen und die Temperatur messen lassen. Erst dann durfte ihnen Einlass gewährt werden. In den Klassenräumen durften die Masken aber dann abgelegt werden. Kamen Eltern oder Schüler aus den Jahrgangsstufen 4 – 6 vorbei, so mussten die sich mit persönlichen Angaben wie Name, Adresse und Telefonnummer in Listen eintragen, bevor sie das Schulhaus betreten konnten.

Da unser Rückflug bereits am 18. Juli ging, blieben uns lediglich zwei Schulwochen Zeit, um unsere Schüler nochmal zu unterrichten. Sowohl den Schülern als auch den Lehrern war die Freude und Erleichterung anzumerken, endlich wieder in die Schule und zur Normalität zurückkehren zu können. Diese zwei Wochen bildeten einen versöhnlichen Abschluss, um sich wenigstens von einem Teil der Lernenden verabschieden zu können.

Währenddessen kam bei Rebecca und mir die Idee auf, eine Art Suppenküche ins Leben zu rufen, um gerade Kinder in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen. Wir wollten bis zu unserem Rückflug jedes Wochenende in eine andere Location Rundus gehen und dort Marmeladenbrote an bedürftige Kinder verteilen. Um dieses Vorhaben umzusetzen, sammelten wir beide bei unserer Familie und unseren Freunden aus Deutschland Spendengelder.

Während dieser Zeit konnten wir viele hungrige Bäuche füllen und zahlreiche Kinder wenigstens für einen Tag glücklich machen. Sobald die Schulen wieder geöffnet hatten, konnten wir unsere Spendenaktionen auch dorthin ausweiten. In unserer letzten Woche in Namibia konnten wir schließlich noch 33 bedürftige Familien mit Essensrationen unterstützen, als wir zusammen mit einem Freund und Pastor in Rundu unterwegs waren.

Bei unseren Essensspenden begegneten wir unglaublich viel Freude und Dankbarkeit, aber auch Angst und Abweisung. Trotz einiger negativer Erfahrungen, teilweise bedingt durch die Verunsicherung und Unwissenheit durch und über Corona, überwogen am Ende doch deutlich die positiven Erlebnisse. So konnten wir Namibia schließlich am 18. Juli mit einem positiven Gefühl Richtung Heimat verlassen.

Geschrieben von Matthias Hlawatsch

Mehr über das Namibia School Project: www.studierende.bllv.de/namibia