Nach 9 Wochen ist mein Praktikum an der Solneset skole in Tromsø nun zu Ende. Die Zeit hier im hohen Norden war wunderschön, lehrreich und in vielerlei Hinsicht inspirierend. Ich konnte in den vergangenen Wochen nicht nur Einblicke in das norwegische Schulsystem erhalten, sondern habe auch viele tolle Menschen kennenlernen dürfen, die mir mit viel Begeisterung auch die norwegische (Schul-)Kultur nähergebracht haben.
Raus in die Natur – wann immer es geht
Ein wichtiger Bestandteil der norwegischen Kultur ist zweifelsohne die Naturverbundenheit der Menschen, die ich während meines Praktikums auch hautnah (mit)erleben konnte. Wann immer es möglich ist,versuchen die Norweger draußen in der Natur unterwegs zu sein. Besonders oft mit Langlaufskiern unter den Füßen. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass die Einwohner von Tromsø nach Feierabend oft noch eine Runde auf den stadtinternen Loipen Langlaufen gehen. Die Naturverbundenheit und die „frische Luft“ spielen hier in Norwegen eine große Rolle und gehören sozusagen zur Lebenseinstellung. Nicht ohne Grund gibt es auch hier die bekannte Redewendung „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung!“. Anders als in Deutschland werden diese Worte hier in Norwegen meiner Meinung nach jedoch um einiges ernster genommen. Dies zeigt sich im Schulalltag, aber auch im Privatleben. So verbringen die norwegischen Schülerinnen und Schüler in der „Utetid“ zum Beispiel auch einen Großteil der Schulpause ausdrücklich außerhalb des Schulgebäudes. An der Solneset skole beträgt diese „Draußenzeit“ in der ersten Pause des Schultages beispielsweise 40 Minuten. In diesem Zeitraum halten sich alle Kinder im Freien auf. Das Wetter spielt keine nennenswerte Rolle. Ist es mal besonders kalt, wird einfach eine zusätzliche Lage an Kleidungsstücken angezogen. Diese lange Draußenzeit bei Minusgraden war für mich vor allem zu Beginn des Praktikums sehr ungewohnt. Tatsächlich hatte ich mich aber bereits nach wenigen Wochen an die kalten Temperaturen und das wechselhafte Wetter gewöhnt. Mittlerweile kann ich auch nachvollziehen, wieso die Menschen hier in Nordnorwegen null Grad als „warm“ empfinden.
Auch im Privatleben versuchen sich die Norweger möglichst viel im Freien aufzuhalten. So unternehmen zum Beispiel viele Familien an den Wochenenden Ausflüge ins Umland. Eine besondere Zeit für Outdooraktivitäten mit der Familie stellen vor allem die „Påskeferie“ (Osterferien) dar. Viele Familien nutzen die Osterzeit traditionell dazu, um zu den familieneigenen Hütten in die Berge zu fahren, Skifahren zu gehen, einen Osterkrimi zu lesen und der Hektik des Alltags zu entfliehen. Diese Tradition konnten Johanna, Felina und ich um die Ostertage hautnah miterleben, denn die Stadt Tromsø war um die Ostertage wie leergefegt.
Der Mensch im Mittelpunkt
Eng verbunden mit dem „norwegischen Lifestyle“ (welcher sicher in vielen Punkten auf alle skandinavischen Länder zutrifft) ist nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale Gesundheit. In Norwegen ist man nicht nur gerne draußen in der Natur unterwegs, sondern viele Dinge werden auch weniger hektisch und wesentlich entspannter angegangen. Der Mensch steht als Individuum im Mittelpunkt. Dies konnte ich während meines Praktikums auch innerhalb des Schulalltags in vielerlei Hinsicht (mit)erleben. In Norwegen nimmt man sich im täglichen Schulleben Zeit, um sich beispielsweise auf die sozialen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu fokussieren. Man investiert Zeit in zwischenmenschliche Beziehungen, nimmt das einzelne Kind mit dessen Problemen wahr und versucht in Zusammenarbeit mit den Kindern, Eltern und Kollegen Lösungen zu finden. Diese Herangehensweise hat mich während meines Aufenthalts sehr beeindruckt. Ich konnte miterleben, wie wichtig es ist, genügend Zeit in eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung zu investieren und im Schulalltag auch soziale Kompetenzen konkret zu fördern. Die Zeit in Norwegen hat mich gelehrt, dass es für nahezu alle Probleme eine Lösung gibt und dass vor allem die Zusammenarbeit als Team im schulischen Kontext überaus wertvoll sein kann. Ein wichtiger Aspekt für diese gewinnbringende Zusammenarbeit sind vor allem regelmäßige Meetings.
Die „Meetingkultur“ im norwegischen Schulsystem
In Norwegen werden Meetings eine besondere Bedeutung zugemessen. Dies umfasst regelmäßige Meetings mit dem gesamten Kollegium, mit einzelnen Lehrkräften, aber auch Besprechungen mit den Lernenden und deren Eltern. Hierfür werden den Lehrkräften auch zeitliche Ressourcen innerhalb des Schulalltags eingeräumt. So findet an der Solneset Skole zum Beispiel jeden Montagmorgen vor Schulbeginn eine 15-minütige Besprechung im Kollegium statt. Diese dient zum einen dazu, wichtige Informationen für die kommende Woche mitzuteilen, zum anderen können sich die Lehrkräfte aber auch über einzelne Schülerinnen und Schüler austauschen. Daneben findet auch jeden Mittwoch ab 13 Uhr ein weiteres Meeting des gesamten Kollegiums statt, in welchem man sich mit bestimmten Themen (z.B. Dyskalkulie) beschäftigt. Gerade diese „Meetingkultur“ sowie die partnerschaftliche Zusammenarbeit unter den zwei Klassenlehrkräfte habe ich in den vergangenen Wochen sehr zu schätzen gelernt. Man merkt, dass alle Lehrkräfte darum bemüht sind, dass die „Probleme“ und Bedürfnisse jedes Kindes Beachtung finden und das Schulklima gut ist. Der Austausch innerhalb der Meetings ermöglicht es, einen umfangreichen Blick auf einzelne Schüler zu erhalten und gemeinsam Lösungsansätze zu diskutieren und umzusetzen. Eine Lehrkraft ist demnach kein/e Einzelkämpfer/in, sondern kann sich bei Fragen oder Problemen immer an andere Lehrkräfte wenden.
Was bleibt…
Abschließend kann ich nur sagen, dass ich die Zeit in Tromsø und an der Solneset skole unfassbar genossen habe. Ich durfte nicht nur 9 Wochen in einer traumhaften Umgebung verbringen, sondern habe in dieser Zeit auch wunderbare Menschen kennenlernen dürfen! Das Kollegium und auch die Kinder an der Solneset skole waren sehr herzlich und hilfsbereit, weshalb ich mich sehr schnell als Teil der Schulgemeinschaft wahrgenommen habe. Begegnete man sich auf dem Gang, dann hatte jeder immer ein Lächeln auf dem Gesicht und es herrschte eine angenehme Atmosphäre, die mir die Eingewöhnung in das fremde Schulsystem und die fremde Kultur sehr erleichtert hat.
Auch mein Tipp lautet: seid offen, kommunikativ und bringt euch ein. Nutzt die Zeit in dieser tollen Stadt und unternehmt auch Ausflüge ins Umland von Tromsø. Die Natur ist wunderschön und bietet damit viele Möglichkeiten für großartige Erlebnisse wie eine Hundeschlittenfahrt, den Besuch der Insel Sommarøy und vieles mehr.
Ich bin sehr dankbar für die schöne Zeit und die tollen Momente, die ich hier im Norden Norwegens zusammen mit Johanna und Felina erleben durfte und werde diese Zeit nicht so schnell vergessen!
Ha det, Tromsø!