Sunyani

„It‘s Ghana time!“ – Unterrichten nach einem anderen Zeit- und Lebensrhythmus

„Akwaaba!“ So wird man von einem großen Schriftzug auf Twi am Flughafen in Accra begrüßt: „Willkommen!“ heißt es auf Deutsch. Dass meine Ankunft in Accra nun schon wieder 6 Wochen her sein soll, will noch nicht so ganz in meinen Kopf. Jeden Tag prasseln so viele Eindrücke und Erlebnisse auf mich ein, dass die Zeit zu rennen scheint. Gleichzeitig fühlt es sich an, als ob ich schon viel länger hier bin, was vermutlich an der Herzlichkeit meiner Gastfamilie liegt! Ab Tag eins gehöre ich wie selbstverständlich zur Familie und fühle mich wirklich zu Hause. Aber beginnen wir einmal von vorne…

Am Samstag dem 22. März kommt mein Flug von München über Rom abends in Accra an. Da ich erst am nächsten Tag weiter nach Sunyani – meinem Zielflughafen – fliegen kann, verbringe ich die erste Nacht in einem Gästehaus in Accra. Schon die Fahrt vom Flughafen zu meiner Unterkunft gibt mir einen Vorgeschmack darauf, dass es Vieles geben wird, an das ich mich in Ghana erst noch gewöhnen muss: der chaotische Verkehr, das schwüle Klima und natürlich, dass ich als „Weiße“ plötzlich die Ausnahme bin und ich viel Aufmerksamkeit auf mich ziehe. Für mich, die bis vor meinem Praktikum nicht aus Europa herausgekommen ist, ist das ein Haufen unbekannter Erfahrungen gleich am ersten Abend! Am nächsten Tag geht es aber auch schon wieder zurück an den Flughafen in Accra und mit einem kleinen und sehr vollen Propellerflugzeug weiter nach Sunyani. Dort begrüßen mich vom Tower aus winkend schon Pia, ihre Kinder und eine weitere Volontärin (und mittlerweile gute Freundin!) Lucia. Meine Gitarre wird von den Kindern mit größter Vorsicht ins Auto verfrachtet und auf holprigen Straßen fahren wir nach Baakoniaba, das Dorf in dem Pia und Emmanuel leben und wo neben ihrem Haus auch der Bezaleel Educational Complex zu Hause ist. Abends gibt es Joloff Reis und ein gemütliches Zusammensitzen auf dem Schul-Sportfeld, bei dem mir die Kinder alle möglichen hier gängigen Spiele zeigen und Emmanuel – unser Gastvater – uns Volontären zumindest versucht, das ein oder andere ghanaische Lied auf Twi beizubringen (die Aussprache müssen wir wohl noch ein bisschen üben…). Alles fühlt sich direkt richtig familiär an! Nach diesen zwei ersten erlebnisreichen Tagen in Ghana bin ich dann auch ganz schön platt und freue mich auf mein Bett!

Da ich an einem Sonntag in Baakoniaba angekommen bin, startet am nächsten Tag auch direkt eine neue Schulwoche. Wie jeden Tag versammeln sich alle Schülerinnen und Schüler vor dem Schulgebäude zum „Assembly“ oder an manchen Tagen auch zum „Worship“ vor Schulbeginn. An meinem ersten Tag hat eine Schülerin tatsächlich eine kleine Begrüßungsrede für mich auf Deutsch vorbereitet und alle Kinder singen für mich! Ab diesem Zeitpunkt bin ich für die Kinder „Auntie Franziska“! 

Die ersten beiden Schultage verbringe ich damit, in verschiedenen Klassen und auch in der Krippe zu hospitieren. Doch schon ab Mittwoch widmen sich Lucia und ich besonders der 1. Klasse, da eine andere Lehrerin die Klasse übernimmt und Pia darin die Chance sieht, neue Methoden einzuführen. Nur eineinhalb Wochen später stellt sich dann heraus, dass die Klassenlehrerin und eine weitere Lehrkraft im Kindergarten die Schule verlassen, weshalb ich nun die 1. Klasse bis zum Ende des Terms alleine weiteführen darf und Lucia die Kindergartengruppe (KG1) übernimmt. Ich freue mich über die Verantwortung, die man mir hier zutraut und nehme die Herausforderung gerne an. Und eine Herausforderung ist es wirklich, die 13 Kinder der „Basic 1“ nun meine Klasse nennen zu dürfen. Viele Methoden und Routinen, die ich aus meinem Lehramtsstudium in Deutschland und generell aus deutschen Klassenzimmern kenne, sind hier unüblich oder einfach nicht bekannt, weshalb sich die Erstklässler erst an meine Art zu arbeiten gewöhnen müssen. Und auch ich muss meine Vorstellungen, Erwartungen und Herangehensweisen anpassen, was auch für mich unglaublich lehrreich ist! Generell gilt hier: „It’s Ghana time!“ – ob eine Pause nun 30 Minuten oder eine Stunde dauert und welches Fach denn gerade eigentlich auf dem Stundenplan steht, wird hier nicht so genau genommen und wirft mein sehr deutsches Verständnis von Pünktlichkeit und Organisation ziemlich über den Haufen 🙂 Bald schon wissen die Kinder jedoch, dass ihr neues Klassentier „Mr. Monkey“ sie antippt, um im Morgenkreis mit ihm in den Tag zu starten, oder dass die Ampel an der Wand anzeigt, ob alle Kinder unsere neu aufgestellten Klassenregeln akzeptieren und wir eine Bewegungspause auf dem Spielplatz einlegen können. Auch in Mathe entdecken wir die Zahlen und in Englisch die Buchstaben auf spielerische Art und Weise, was für viele Kinder, die das Auswendiglernen gewöhnt sind, noch sehr ungewohnt ist. Mein Mantra für diese Herausforderung: Ich konzentriere mich auf die kleinen Fortschritte und erfolgreichen Momente jeden Tag – immerhin kann ich in den wenigen Wochen, in denen ich bisher hier bin, nicht erwarten, plötzlich alles umzukrempeln!

Und dann ist da noch ein Teil der vierten Klasse, der erst angefangen hat Deutsch zu lernen. Ich darf den Deutschunterricht dort gestalten und soll die Kinder auf ihr Deutsch Examen in der vorletzten Woche vor Ende des Terms vorbereiten. Mit vielen verschiedenen Übungen und Spielen widmen wir uns den Zahlen und den Farben auf Deutsch! Noch eine Herausforderung für mich, da ich nie gelernt habe „Deutsch als Zweitsprache“ (DaZ) zu unterrichten. Es macht aber sehr viel Spaß und als ich im Examen (das ich sogar selbst erstellen darf) merke, dass viele Kinder große Fortschritte gemacht haben, ist das ein richtiger Erfolgsmoment für mich!

In der vorletzten Woche vor Ostern schreiben die Schülerinnen und Schüler ihr Examen, je nach Klassenstufe sind das bis zu zwei Examen am Tag. Dass auch die Kinder in der Krippe und im Kindergarten schon Examen absolvieren, bei dem sie teilweise Zahlen und Buchstaben erkennen und schreiben müssen, führt mir wieder einmal vor Augen, wie anders das Schulsystem in Ghana ist. 
Ich bin jedenfalls froh, als in der nächsten Woche die Examen beendet sind und die letzte Woche vor Ostern anbricht, in der wir mit den Kinder viele österlich angehauchte Aktivitäten durchführen: Ostermalen, ein deutsches Osterlied lernen, ein Osterlamm aus Hefeteig für ein gemeinsames Osterfrühstück backen und ein richtiges kleines Fest vor den Osterferien!

Mindestens genauso spannend wie die Schulwochen sind aber auch die Wochenenden. Emmanuel liegt es sehr am Herzen, uns sein Heimatland und seine Kultur nahezubringen, weshalb er sich viel Zeit für tiefe Gespräche nimmt und mit uns Ausflüge macht. Auch wie man das traditionelle Gericht „Fufu“, bestehend aus gestampften Yam und Cassava-Wurzeln, zubereitet, zeigt er uns mit Begeisterung. An einem anderen Wochenende ist er auf einer traditionellen Beerdigung eines Bekannten eingeladen und wir dürfen ihn begleiten! Auch in eine lokale Bäckerei in Baakoniaba und in einen Gottesdienst in einer Kirche in Sunyani nimmt uns Emmanuel mit – hier tanzen und singen die Besucher, aber auch das Thema Missionierung wird sehr großgeschrieben. Es ist alles so anders, als ich es aus Deutschland kenne und vor allem wird man als „Weiße“ (oder „Obruni!“, wie hier alle rufen, sobald man entdeckt wird) überall sofort bemerkt und oft angesprochen. 

Seit letzter Woche haben die Kinder zwei Wochen Osterferien, bevor das neue Term beginnt. Für mich, meinen Freund, der mich besuchen kommt und Lucia geht es seitdem auf einem Roadtrip rund durch Ghana. Ich freue mich sehr im nächsten Blogbeitrag über unsere Reiseziele und den Start ins neue Term zu berichten. Bis dahin: „Bye, bye!“, wie man hier zur Verabschiedung salopp sagt!