Als das Flugzeug auf der kleinen indonesischen Insel Ambon landete, wusste ich noch nichts davon, wie sehr die nächsten 2 Monate mein Leben – zum Positiven – ändern sollten. Im Gegenteil war meine erste Woche recht schwierig, der Kulturshock hatte mich voll erwischt. Ich glaube, ganz Ambon wusste darüber Bescheid, dass ich mir mit Kakerlaken das Bett geteilt habe und vor Heimweh nicht schlafen konnte, wodurch mir zuerst nur noch unbehaglicher wurde. Ich habe aber schnell gemerkt, dass mir wirklich alle nur helfen wollten – und auch konnten. In meiner zweiten Woche jedoch hatte ich mich bereits eingelebt, weil alle um mich herum ihr Bestes gegeben haben, damit es mir gut geht. 🙂
Ich habe mit Frau Billy zusammen gewohnt, die in der SMAN 1 (staatliche Sekundarschule) Deutsch unterrichtet. Wir sind jeden Tag zusammen zur Schule gelaufen und haben im Zweierteam DaF (A1 und A2) unterrichtet, um die Schülerinnen und Schüler auf die Prüfungen (am Ende meines Praktikums) vorzubereiten. Den deutschen Modus, jede Unterrichtsstunde minutengenau vorzubereiten, habe ich sehr schnell hinter mir gelassen. In Indonesien habe ich gelernt, dass man auch spontan sehr gut unterrichten kann und habe meine Kreativität, Flexibilität und Offenheit komplett ausbauen können. Dass ich Grundschullehramt studiert habe und nun mit 16-18-jährigen SchülerInnen gearbeitet habe, war überhaupt kein Problem. Alle waren derartig intrinsisch motiviert, dass es so richtig Spaß gemacht hat! Einzelne SchülerInnen haben mich immer wieder angesprochen, um mit mir über Deutschland zu sprechen, um etwas über das Land zu erfahren und gleichzeitig die Sprache sprechen zu üben. (Leider erst ) In meiner 4. Woche sind wir mit dem A1- und dem A2-Kurs an den Strand gefahren. An dem Tag war das erste Mal Raum für die SchülerInnen und mich, sich näher kennenzulernen, was unsere Beziehung erst so richtig nach vorne gebracht hat. Mit einer Gruppe war ich schwimmen und die Gegend erkunden, wodurch wir alle mehr aus uns herauskommen konnten und viele schöne Gespräche geführt haben, die ich niemals vergessen werde.
Auch mit den Lehrkräften habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Mit einer Lehrkraft, die nur wenige Jahre älter ist als ich, habe ich mich schnell angefreundet, und sie hat mich mit ihren Freunden mitgenommen in Karaokebars, ins Kino, auf Roller-Roadtrips über die Insel….. Auch in der Schule haben mich alle Lehrkräfte unterstützt, mir immer wieder Frühstück gebracht, mich auf Tee eingeladen und auch meine Hilfe angenommen, sodass ich beim Korrigieren von Hausaufgaben und Tests immer helfen konnte. Immer wieder konnte ich auch bei anderen Lehrkräften in den Deutschunterricht mitgehen und bei der Aussprache oder beim Erläutern von Regeln helfen. Bei uns wurde ausschließlich frontal unterrichtet, meine Versuche der Gruppenarbeit stießen eher auf Verwirrung. Das macht aber nichts, denn es war auch angenehm, den SchülerInnen die Dinge direkt erklären zu können und nicht jede Stunde mit einem stummen Impuls zu beginnen 😀 . Eigenständige Arbeit fiel sowieso nicht aus, die Unterrichtsinhalte wurden selbstständig nach der Schule in den Klassenräumen, zuhause oder bei uns privat wiederholt und vertieft.
Meinen Alltag habe ich viel mit meiner Gastfamilie verbracht, die über ganz Ambon verteilt war. Billy und ich haben oft gemeinsam gekocht, saßen viele Abende lange auf der Terasse (zwischen Mango-, Papaya-, Kokosnuss- und Avocadobäumen), haben Familienmitglieder besucht, auf die Kleinsten aufgepasst oder zusammen Deutsch und Ambonesisch gelernt. Im Nachbarhaus wohnt Billys Neffe Gilberth, der nur wenig älter ist als ich und mit dem ich fast täglich mit dem Auto oder Roller die Insel unsicher gemacht habe und einen Traumstrand nach dem anderen erkundet habe.
Meine Zeit in Ambon hat mich auf so vielen Ebenen unendlich weit nach vorne gebracht. Meine Erfahrungen, was sowohl das Unterrichten als auch das Leben in einer anderen Kultur betrifft, haben sich so stark vervielfacht, dass ich quasi aus neuen Erkenntnissen über die Welt überhaupt nicht mehr herauskomme. Ich habe herausgefunden, dass Unterricht auf so viele verschiedene Arten funktioniert, wie wichtig Flexibilität und vor allem Interesse auf beiden Seiten ist. Ich war fast täglich jalan jalan (mit dem Auto oder Roller spazieren fahren), habe Mangos und Ananas gepflückt, bin von einer Seite der Insel zur anderen gefahren, habe Inselhopping mit dem Speedboat gemacht, Hund und Durian gegessen, Indonesisch bzw. Ambonesisch verstehen und etwas sprechen gelernt, war bei christlichen Gebetsabenden dabei, habe Aale gestreichelt, gelernt, ohne Besteck und fließendes Wasser zu leben, Freunde fürs Leben gefunden, gelacht und geweint, und natürlich auch unterrichtet 😉