Norwegen,  Tromsö

Winterliche Brise Tromsø mit norwegischer Gelassenheit

Schneebedeckte Bergkulisse bei traumhaftem Sonnenschein, Nordlichtern, Rentieren mit einem Fünkchen norwegischer Gelassenheit: So sah meine erste Woche in Tromsø aus. Ich musste erst einmal realisieren: Das ist gar kein Traum, nein, das erlebe ich gerade wirklich!

Ich erinnere mich an das Osterwochenende, an dem ich bei frühlingshaftem Wetter ins Flugzeug stieg und von der winterlichen Kälte im Norden Norwegens begrüßt wurde. Am Ostersonntag wurde ich von Johanna und Luisa, den beiden anderen Praktikantinnen des BLLV, mit einem Osterbrunch empfangen und schon fing unser gemeinsamer Zeitabschnitt als Trio an. Ich bin so dankbar, mit den beiden die ersten drei Wochen verbracht und schon so viel gemeinsam erlebt zu haben. Nun bin ich seit fünf Wochen hier und es gibt einiges zu berichten.

Wohnen und Leben
Tromsø ist eigentlich die Kurzform von Tromsøya, was so viel heißt wie Troms-Insel, auf der sich die Stadt Tromsø erstreckt. Meine Unterkunft, ein Studentenwohnheim, befindet sich auf einem Berg mit direkter Aussicht auf den Hausberg Storsteinen auf der gegenüberliegenden Uferseite. Meine Erasmus+-Finanzierung und mein Studentenwohnheimplatz als internationale Studentin erleichtern das kostenintensive Leben hier deutlich. Von meinem Zimmer aus kann man den Fährhafen der Insel beobachten. Seit Wochen ist hier kein großes Schiff mehr angekommen, nur noch vereinzelte lokale Hurtigruten-Schiffe schippern durch die Fjorde. Es macht sich eine Pause zwischen dem Nordlicht-Wintertourismus und dem Wander-Sommertourismus bemerkbar.

Obwohl die Nordlichter durch die Zeitumstellung seit Ostern immer unwahrscheinlicher und nun gar nicht mehr zu sehen sind, bin ich trotzdem zweimal in den Genuss des Anblicks der Aurora borealis gekommen. Die Südspitze der Insel mit der fußläufig erreichbaren Bucht „Telegrafbukta“ ist der ideale Ort, um Nordlichter ohne störende Straßenlichter zu sehen. Ein spannendes Spektakel, das ich mit dem bloßen Auge gar nicht so deutlich wahrnehmen konnte wie die grünliche Färbung in der Handykamera.

Neben dem alltäglichen Schulleben versuche ich so viel wie möglich an studentischen Aktivitäten teilzunehmen, touristische Aktionen zu unternehmen oder mich auf die Zurückgezogenheit der Bevölkerung einzulassen. Das Wetter meinte es die letzten Wochen sehr gut mit mir. Trotz der anfänglichen Winterkälte war der Sonnenschein die letzten Wochen sehr präsent. Allmählich schmilzt der Schnee auf der Insel Stück für Stück, der sich zuvor in den Vorgärten der Häuser türmte.

Beim Schlendern durch die Stadt mit ihren hübschen Läden, erhält man aus jedem Winkel einen wunderschönen Blick in die Berge. Besonders gefällt mir der Ausblick von meinem Wohnheim oder der städtischen Bibliothek nach draußen auf den Hausberg. Die Fahrt mit der Fjellheisen-Gondel auf den Berg ist sehr teuer. Es gibt allerdings auch Wege zu Fuß nach oben. Ich habe bisher beides ausprobiert, doch Vorsicht ist geboten. Die Sherpatrappa mit ihren Treppenstufen ist auch Anfang Mai noch schneebedeckt, deshalb sind Spikes ratsam!

Bis Anfang April kann man in der näheren Umgebung Rentiere füttern, bevor die Tiere hoch in die Berge geschickt werden. Dabei kann man etwas über die samische Bevölkerung lernen, die in Tromsø sehr präsent ist. Deshalb war es interessant, auch in ihre Kultur eintauchen zu können.

Wandern ist hier in einer nahezu unberührten Natur mit nicht allzu überlaufenen Wanderwegen möglich – perfekt um zur Ruhe zu kommen. Die Bevölkerung schafft es, sich trotz der Kälte, die Natur ganz schön koselig zu machen, ein norwegisches Wort für gemütlich. Am Wochenende schnappen sich einige Leute ihre Langlaufskier mit dem gesamten Gepäck für ein Wochenende und fahren auf kleine gemütliche Hüttchen. Generell wird hier auf einen aktiven Lebensstil gesetzt. Egal wie hoch der Schnee ist, wie vereist die Straßen sind, jeden Tag fahren die Menschen mit Fahrrädern in einem wahnsinnigen Tempo die Berge hoch und runter oder man wird von joggenden Leuten überrannt. Die Landschaft bietet sich aber auch sehr dafür an, die frische Luft auszunutzen. Die strahlend weiße Bergkulisse lädt dazu ein, sich Schneeschuhe oder Langlaufskier auszuleihen. Wenn man nicht nur vom Berg aus einen guten Einblick in die Fjorde erhalten möchte, bietet sich eine Bootstour an. Von der Wasserseite aus kann man je nach Saison Wildtiere beobachten.

Schulleben an der Fagereng skole


Da ich hier zu einem späteren Zeitpunkt als Johanna und Luisa das Praktikum absolviere, wurde ich statt an der Borgtun skole oder der Solneset skole der Fagereng skole zugeteilt: Eine moderne, helle Schule, die an ein Lernhaussystem erinnert, mit ineinander übergehenden Klassenzimmern und Arbeitsräumen. Die Schule liegt in der Nähe der Südspitze der Stadt, die für mich persönlich die schönste Ecke Tromsøs ist. Sie hat eine eigene Bibliothek, eine Küche, bietet viele Räumlichkeiten für Kreativität, einen noch schneebedeckten Fußballplatz sowie einen großen Pausenhof und einen großen Eingangsbereich mit Panoramaaussicht auf die Berge.

Ich werde in den vierten Klassen eingesetzt, die sich aus drei Klassen mit insgesamt 53 Schülerinnen und Schülern zusammensetzen und von einer Lehrerin sowie zwei Lehrern betreut werden. Die Klassengrenzen sind verschwimmend, da die Kinder oft in Lerngruppen unterteilt sind und anschließend wieder im Klassenkontext zusammenkommen. Der Fokus hier liegt auf dem sozialen Aspekt, weniger auf Leistung und Druck. Die Schule setzt in einem Pilotprojekt auf eine positive Pädagogik, die von der Universität begleitet wird. Diese gilt der Hervorhebung von beobachteten positiven Aspekten, die Kinder in ihrer Handlung bestärken sollen.

Die Schule hat mehrmals pro Monat die sogenannte „Uteskole“, die Draußenschule, in der für paar Stunden draußen Schulunterricht stattfindet. In meiner ersten Woche haben die Kinder Raketen aus Papier gebaut und diese draußen mithilfe eines Mechanismus mit einem Schlauch und einer Plastikflasche gestartet. Ein weiteres Mal gingen wir an den Strand, an dem die Schülerinnen und Schüler ein Feuer machten. Im Anschluss sollten die Kinder mithilfe eines Bingofeldes mit abgebildeten Gegenständen diese am Strand suchen. Die Schule versucht sich in Bezug auf die Draußenschule ständig weiterzuentwickeln und nimmt an erlebnispädagogischen Fortbildungen teil, um den Kindern den Umgang mit der Natur, wie beispielsweise den Umgang mit einem Kompass, zu vermitteln.

An der Schule herrscht eine Meetingkultur, in der regelmäßig das Sozialverhalten der Kinder reflektiert wird und der Gesamtsozialaspekt der Schule in den Fokus rückt. In meiner ersten Woche wurde ein aufgrund von Befragungen in einem Programm erstellten Soziogramm aller Schülerinnen und Schüler der vierten Klassen betrachtet, um dahingehend die Integration aller Kinder zukünftig gewährleisten zu können.

Was mir allgemein im Kollegium auffällt, ist, dass viele männliche Lehrkräfte an der Schule unterrichten. Ich finde es spannend auch mal Unterricht von männlichen Lehrkräften zu sehen, was man in Deutschland in einer Grundschule nicht so oft zu sehen bekommt. Worin sich der Schulalltag von dem Deutschen abgrenzt, sind die langen Pausen. Die Schulstunden werden durch relativ gelassene Zeitgrenzen markiert. Einen Schulgong gibt es nicht. Stattdessen wird auf die Eigenverantwortung der Kinder gesetzt. Es wird viel Zeit zum Einfinden im Klassenzimmer und Umziehen in der ersten Viertelstunde eingeräumt. Auch eine verpflichtende Leseviertelstunde findet an drei Vormittagen die Woche statt. Jeden Tag findet eine halbstündige Essenspause statt, im Anschluss eine Dreiviertelstunde Draußenpause, egal bei welchem Wetter. Die Draußenpause ist nach einem Spielleitersystem geregelt: „Ausgebildete“ Kinder aller Jahrgangsstufen bieten Gemeinschaftsspiele an und versuchen dadurch alle Kinder in das Geschehen einzubeziehen.

Ausblick
Insgesamt bin ich beeindruckt von der gelassenen, norwegischen Art, die in gewisser Weise bereits auf mich abgefärbt hat. Ich bin gespannt, was die zweite Hälfte meines Aufenthalts noch für mich bereithält, in der die Tage immer länger werden und die Sonne in ein paar Wochen gar nicht mehr untergeht.