Ghana,  Sega

Von weißen und schwarzen Sternen

Die weißen Sterne leuchten hell über meinem Haupt während ich nach langer Zeit mal wieder eine ruhige Minute finde um meine Gedanken, Taten und Erlebnisse der letzten Wochen nieder zu schreiben. Viele Monde und Sonnen sind vorüber gezogen, deren Wechselspiel tagtäglich zur selben Zeit den Tag zur Nacht und die brütende Hitze zur angenehm sommerlichen Kühle werden lassen. Und so kommt es, dass ebenso nah beieinander die Freud und das Leid liegen. Das Schöne und das nicht-so-Schöne. Erleben wir in der einen Woche wunderbare Erfahrungen und spannende Entdeckungen, so setzen wir uns auch mit organisatorischen Problemen des Praktikums auseinander, die uns letztendlich zum Abbruch des Praktikums führen. Doch der Reihe nach…

[16.06] Es war einmal vor langer langer Zeit eine holde Maid, die sich eines Freitags zusammen mit ihren edlen Gefährten auf die Reise zur Westküste der Gold Coast machte. Die letzten beiden Wochen ihres Aufenthalts in Ghana waren angebrochen und sollten durch einen neun Tage dauernden Urlaub einen krönenden Abschluss finden. Ihre königlich zusammengeflochtenen goldbraunen Haare flattern nur unzureichend im nicht-vorhandenen Fahrtwind des Tro Tros. Ein nicht enden wollender Stau, verursacht durch ungeduldige, ungeschulte und unerhörte Fahrer von tausenden Blechkisten, verstopfte nicht nur die einspurige Straße nach Accra sondern auch die schottrigen Standstreifen, anliegende Tankstellen und weitere Einfahrten. Lag diese Reise etwa schon zu Beginn unter keinem guten Stern? War man doch so hoch motiviert endlich das Land und die Leute für längere Zeit zu erkunden und kennen zu lernen, versetzte die elend lange Fahrt nach Cape Coast einen Dämpfer. Nachdem die imaginäre Kirchenuhr zum zwölften Male die Glocken läuten ließ checkt das Trio, dank Godwins Empfehlung, im Hans Cottage ein. Der Himmel ist längst in dunkles schwarz getaucht und der Mond umstrahlt die umwachsene Lagune und die umstehenden Häuser mit schimmerndem Weiß.

[17.06] Zu kaltes Wasser fließt über den einstigen Astralkörper des Möchtegern-Efendi (Anm. der Red.: Schlaumeier aus der Serie „Irgendwie und Sowieso“) als er nach ausgiebigem Schlaf, zähneputzend unter der Dusche des Dorms steht (35 Cedi pro Person). Es ist erstaunlich bewölkt und kühl und er wünscht sich zum ersten Male, dass das Elixier des Lebens ein paar Grad wärmer aus der Brause liefe um damit seine vornehm blasse Haut, unter der das blaue Blut des stürmischen Familiengeschlechts ihre Bahnen zieht, rein zu waschen. Direkt vor der Türe des Schlafsaals tränkt braunbärtige Barbarossa seine wallende Gesichtsmähne in das erfrischende Blau des gefliesten Wasserbehälters und sorgt mit Butterfly und Free Style für staunende Gesichter der umherwandernden Kammerdiener und Bediensteten. Das erste Mahl des Tages nehmen die zwei Muskeltiere und die Profi-1g-Hantelheberin im hauseigenen überteuerten Restaurant ein.

Für 80 Unzen bietet ein Kutscher mit Viergespann von Let’s Go Tours eine Rundreise nach Elmina und Cape Coast an. Eine neue Burg soll es werden. Doch stellen sich nach einer Besichtigung mit Tour (30 Cedi) sowohl das Elmina Castle als auch das Cape Coast Castle als renovierungsbedürftige und zu prestigeträchtige Bauten dar, deren geschichtsträchtige Vergangenheit gegen einen Kauf der Gemäuers spricht, in dem zuvor die Gouverneure der West-India Trading Company hausten und unter britischer Flagge mit Waren und Sklaven handelten, als wären Sie ihr persönliches Eigentum. Durch die Türen ohne Rückkehr, „the doors of no return“, verließen bis zu 12 Millionen Ghanaen auf europäischen Booten ihr Heimatland um in die ganze Welt verschifft zu werden. Aus aller Welt kommen nun ihre Nachfahren zurück und schaffen durch Blumenkränze und Andachtskarten einen „point of return“, um ihre Vorfahren zu würdigen und mit den grausamen und menschenunwürdigen Geschehnissen von damals Frieden zu schließen, die wohl insgesamt 60 Millionen Ghanaen das Leben kostete. Eine aufwühlende, interessante Führung lässt uns gänzlich verstummen und auch wir nehmen uns einen Moment der Ruhe um den vielen vielen Opfern zu gedenken.

Da die Führung im Cape Coast Castle wohl ähnlich strukturiert sein wird wie im Elmina Castle, reinvestieren wir die so gesparten 30 Cedi in den anliegenden Souvenir Shops des Schlosses. Dank Schatzmeisterin Helena kann so manche Goldmünze im neu erworbenen Lederbeutel verstaut werden und für gegrillten Tilapia-Fisch in der Solace Bar sowie goldene Hopfengetränke am Abend in der Oasis Bar eingetauscht werden. Ein Sammelpunkt für stolze Ritter und Retter, die sich aus ihren entfernten Heimatländern hier zusammenfinden, um am Abend eine Hopfenkaltschale am Strand zu genießen und ihren Rössern eine Auszeit vom anstrengenden Ritt des Tages zu gönnen.

[18.05] Da die in der Lagune lebenden Krokodile nur sehr schlecht Gackern und aufgrund von Krokofutter kein Gockel in der Nähe ist, klingelt in aller Herrgottsfrüh der schrille Sing-Sang Wecker von Bastians – neuerdings mit Spiderapp versehenem – Handy. Ein Ausritt (Let’s Go Tours 100 Cedi, Tro Tro viel billiger!) in den Kakum Nationalpark steht bevor und laut Reiseführer und Fahrerauskunft sei die Wahrscheinlichkeit wilde Tiere zu sehen in der Früh am größten. Um im Dickicht des wuchernden Dschungels noch höhere Erfolgsaussichten zu garantieren, wurde zwischen den Bäumen ein 40 Meter hoher Skywalk eingerichtet. Über den Baumwipfeln wackelt man auf Seilbrücken von einer Plattform zur nächsten und versucht aus dem wilden Gezwitscher und Geraschel möglichst viele Tierarten zu entdecken. Doch außer Vögeln und Schmetterlingen hatten wir keine Tierchen vor der Linse und selbst diese waren in der Früh noch schneller als unsere Auslösefingerchen. Zwar war es schön alleine auf dem Skywalk zu wandern, doch da die erste Führung (40 Cedi) regulär erst um 8:30 Uhr beginnt, lohnt sich nicht extra früh dort anzureisen. Für Vogelkundler und Naturliebhaber können auch Übernachtungen im Dschungel und Extraführungen gegen Aufpreis gebucht und arrangiert werden.

Nach unserer Rückkehr im Hans Cottage verbringen wir den sonnigen Tag am Hotel Pool mit leckerem Obst und ohne Sonnencreme. Da wurde von König David das Royal Tanning mal wieder ein bisschen zu ernst genommen. Genauso begeistert wie wir von den Butterflys im Dschungel sind die Tagesgäste des Hans Cottage von unserem Butterfly den Bastian und Ich geschmeidig in den Pool zaubern. Als uns die Gäste darauf ansprechen, beantworten wir nach kurzem Smalltalk die eine Frage, die uns hier ständig gestellt wird wie immer höflich mit: „Nein, wir sind keine Zwillinge und auch keine Brüder!“ Dass Basti und ich für Brüder gehalten werden ist sicherlich nicht verwunderlich, denn aufgrund unserer ähnlichen Frisur und des herrlich loddrigem Aussehens sind wir für Afrikaner sicher nicht leicht zu unterscheiden.

Der Grund, dass so viele Tagesbesucher im Hans Cottage eintrudeln ist ein ganz Besonderer, wie wir am Nachmittag an eigener Haut erfahren und dabei fast mit dem Leben bezahlen. Mir nichts dir nichts schlendern wir um den See um die vielen Vögel der Lagune zu fotografieren. Nach wenigen verträumten Metern bleibe ich wie angewurzelt stehen und sage zu Basti der einen Meter vor mir geht: „Bastian, da vorne ist ein Krokodil!“ Für eine Sekunde bleiben wir wie angewurzelt stehen um dann im Zeitlupen-Rückwärtsgang vor dem vier Meter langen Ungeheuer zu fliehen ohne es zu erschrecken. Was ein Schock. Keine fünf Meter vor uns liegen zwei ordentlich Wummer, über die wir fast drüber gestolpert wären. Die Bedienung des Restaurants versucht unsere aufgeregt schlagenden Herzen zu beruhigen und versichert uns, dass die unzählig vielen Krokodile in der kleinen Lagune alle harmlos seien und man getrost an ihnen vorbei spazieren könne. Trotzdem schlagen wir aus Respekt vor den Reptilien die andere Richtung um den See ein und hoffen, dass die Krokos auf dem Rückweg verschwunden sind. Doch falsch gedacht. Es wimmelt nur so von den scharfzahnigen Biestern und wir müssen auf einem schmalen Damm an zwei kleineren Exemplaren vorbeispazieren, die keine 2 Meter von uns entfernt ihr Sonnenbad einnehmen. Aufregender geht’s nicht mehr, denn die Angst, dass irgendwo auf einmal doch noch so ein grünes Untier herausspringt begleitet uns bei jedem Schritt. Wir sind heilfroh als wir unseren Schock mit frischem Ananasssaft und einem Rum runterspülen können und schwören uns, dass dies unsere erste und letzte Krokodil-Begegnung bleiben wird.

Den Abend lassen wir wieder in Cape Coast gemütlich ausklingen. In einer der Seitenstraßen der Commercial Road ist noch voller Betrieb. Kinder werden auf der Straße gewaschen, während daneben in silbernen Bottichen der Stew und Reis dampfend gekocht werden. Zu schnelle Motorräder schlängeln sich durch die Menschenmassen an uns vorbei, zu laute Musik dröhnt an uns vorüber, zu viele Augen sind staunend auf uns gerichtet. Von drei netten Barbesuchern lernen wir in einer Bar einige ghanaische Tanzmoves und werden eindringlich vor Taschendieben gewarnt. Anscheinend sind wir in eines der ärmeren Viertel der Küstenstadt spaziert. Nach unserem letzten Passionsfrucht-Radler steigen wir deshalb recht früh in ein Taxi und fahren zurück zur Unterkunft.

[19.06] Schwarze Sterne leuchten strahlend am muschelbedeckten Strand. Nur das weiß ihrer Zähne funkelt entgegen der stolzen Struktur. Stramm, stolzierend und hüpfend elegant zum rauschenden Rhythmus der Wellen und dem Trommeln und Singen von Rastaman Thomas. Nachdem wir nach kurzweiliger Fahrt auf guter Straße via Takoradi in Beyin, nicht weit von der Grenze zur Elfenbeinküste entfernt ankommen, werden wir von Touri-Guide Thomas abgefangen und in die weder saubere noch komfortable Unterkunft direkt am Strand einquartiert. Für die schäbige, heruntergekommene Unterkunft bezahlen wir nach längerer Verhandlung nicht mehr als insgesamt 55 Cedi (Anfangspreis: 40 Cedi pro Person). Trotz aller Widrigkeiten sind Thomas, seine Schwester und ihre Kinder sehr sehr freundlich und lieb. Den Nachmittag verbringen wir am Strand mit Palmenklettereien, Akrobatik, Muschelsammeln und Kokosnuss mit der Machete öffnen. Bastian und ich stellen uns ziemlich doof an und brauchen fast den halben Nachmittag um eine Kokosnuss eigenmächtig zu öffnen, doch der süße Saft und das leckere Fruchtfleisch entschädigen für die durchaus anstrengenden Hiebe mit der nicht ganz ungefährlichen Machete. Thomas und sein Kumpel waren von unserer Darstellung auf jeden Fall hellauf begeistert und konnten sich vor Lachen kaum mehr halten. Dafür haben wir, aufgrund unserer langjährigen Topfmodelerfahrungen beim Fotoshooting am Strand für die nächste GNMT-Staffel die eindeutig unmuskulöseren Bodys präsentiert. Wir verstehen uns gut mit Thomas und seinen Freunden und verbringen den Abend am Lagerfeuer, das wir dank der Hilfe der Jugendlichen auch zum Lodern bringen, (Getrocknete Kokosnussfasern und Palmenrinden brennen übrigens wie Sau!) und hüpfen  noch nackad in den offenen Ozean, als die letzten Holzscheitel bereits ausglühen und alle anderen bereits mit ihren Einhörnern ins Reich der Träume entflogen sind. Grod schee is!

[20.06] Fishermen’s Friends and Fish

Da sich die Jungs mal wieder im Kuschelmodus ein Bett und ein Moskitonetz teilen bleibt für mich die Erkenntnis, dass unsere zum ersten Mal eingesetzten Netze zwar als funktional erweisen aber auf keinen Fall für zwei breitschultrige Maschinen geeignet sind. Helena schläft in ihrem himmelbettähnlichen Traumschloss besser, doch schlagen wir uns alle mit den Problemen der salzig-feuchten Meeresluft herum. Irgendwie ist alles klamm, sandig und schmeckt leicht salzig. Ein Wunder, dass die zusammengezimmerten Bambushütten dem Regen standhalten und wir nicht völlig abgesoffen sind. Außer noch mehr Regen bringt der Tag vor allem eins. Fisch.

Nach dem Frühstück und kurzem Bad im leider etwas unsauberen Meerwasser wandern wir mit Thomas den Strand entlang, beobachten eine Zeit lang die Fischer bei der Arbeit und kommen mit einem Fischer aus der Elfenbeinküste ins Gespräch, der uns sogar zu einer Bootstour einlädt und wir bestellen uns für den darauffolgenden Donnerstag Hummer, der hier im Vergleich zu europäischen Preisen, sehr billig ist. Als die insgesamt 60 Fischer, das unglaublich lange Schleppnetz aus dem Meer an den Strand gezogen haben, ist über eine Stunde vergangen. Ertrag des kräftezehrenden Aufwands sind ein paar Handvoll große und viele kleine Fischchen, die sich zwischen Quallen und Plastikmüll aus dem Netz klauben lassen. Scheinbar ist das ganze Dorf zum Strand gewandert um vom Kuchen ein Stück abzubekommen doch kaufen wir uns für 25 Cedi (White Price!) den wohl größten Fang, den sich aus dem Dorf eh niemand leisten könnte, und lassen ihn von Thomas‘ Schwester, der Köchin, grillen und mit Jollof Rice servieren. Gemeinsam mit Thomas verspeisen wir den unfassbar leckeren Fisch und träumen noch heute vom mundenden, frischen Geschmack des deliziösen Raubfisches.

Mit vollgeschlagenen Waschbärbäuchen packen wir unsere sieben Sachen und machen uns auf den Weg zum eigentlichen Ziel unserer weiten Reise in den Westen Ghanas. Das Stelzendorf Nzulezo. Leider laufen wir an der Anlegestelle des Kanals, an dem die Boote zum Dorf an- und ablegen, dem Verwalter des Besucherzentrum des Dorfs in die Arme und wir müssen 35 Cedi Touristenpauschale entrichten. Nach circa 20-minütiger Fahrt über Sumpf, durch Dschungel und See kommen wir in einem der verrücktesten Orte an, die wir jemals gesehen haben. Am Rande der Lagune haben sich vor langer langer Zeit sieben Fischerfamilien ihre Bambushütten auf Holzpfählen in das schwarze Wasser des Sees gebaut. Schon seit mehreren hundert Jahren leben und arbeiten die Menschen hier. Wobei sich die Arbeitsmöglichkeiten der rund 500 Menschen auf Fischerei und die Produktion von Palmwein und Gin beschränkt. Die 105 Kinder der Kommune können hier die Grundschule besuchen, welche auch aufgrund von Touristenspenden mitfinanziert und ausgebaut wurde. Leider verirrt sich allerdings nur selten ein Lehrer ins das Weltkulturerbe-Dorf oder bleibt nur wenige Wochen, da sich die Unterhaltungsmöglichkeiten in der Einöde auf Baden und Gin trinken beschränken. Deutsche Touristen haben einige Mülltonnen gespendet um dem Müllproblem des Dorfes entgegen zu wirken. Nicht nur Plastikmüll, sondern auch sonstiger Unrat und menschliche Ausdünstungen werden einfach im ohnehin schon schwarzen Lagunenwasser entsorgt. Gastgeber Daniel, der mit seinem Homestay und seiner Bar unsere Unterkunftsmöglichkeit im Dorf stellt, versichert uns zwar, dass das Baden im See ungefährlich und sicher sei, doch können wir uns zu einem Bad in der morastigen Brühe nicht überwinden, auch wenn wir gleichzeitig Kinder sehen, die genüsslich das Wasser in ihre Münder schlürfen. Auch, dass wir unsere weißgepuderten Popöchen nicht den nachtaktiven Krokodilen und Alligatoren zum Fraß vorwerfen wollen, lässt uns von einem „reinigendem“ Bad Abstand nehmen. Alles was Recht ist, aber das muss einfach nicht sein!! 😉

Aber dennoch lassen sich Helena und Basti von den Kindern des Dorfes mit einem Paddelboot entführen und paddeln im Sonnenuntergang auf die andere Seite des Sees, wo ein Exilspanier vor einigen Jahren sein eigenes Häuschen an den Rand des Dschungels gebaut hat. Nachts alleine mit vielen grünen Monstern unter dem Kopfkissen?! Naja ich weiß ja nicht… „Und übrigens Helena? Hat sich nicht gerade unsere Hütte bewegt?“

Nach einer tollen Nacht in unserem günstigen luxuriösen Bett im Knastformat (40 Cedi p.pJ) sind wir herrlich ausgeschlafen. Lediglich ein dutzend Hiebe mit den Ellenbögen, die wir uns gegenseitig aufgrund des Platzmangels verpasst haben, konnte unseren „Tiefschlaf“ etwas stören. Unser gewohnter morgendlicher Tatendrang wird etwas durch ein bisher ungeahntes Maß an Langsamkeit gebremst. Man muss hier wohl geboren oder Alkoholiker sein, um Unterhaltung für mehr als 2 Stunden in Folge zu finden. Nichts desto trotz stellt sich unsere Mittagsaktivität als eines unserer persönlichen Highlights heraus und entschädigt für manche, der Empfindung nach, etwas überteuerten Touristenattraktionen hier in Ghana. Unser Freund Thomas packt uns für 30 Cedi in ein Paddelboot und wir tauchen rudernd in ein endlos erscheinendes Kanal System mitten im Dschungel ein, welches sich auf der anderen Seites des Sees befindet. Die Eindrücke, die sich uns hier bieten hauen uns alle samt aus den Flip-Flops und wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Bei diesen von Menschenhand ins Dickicht geschlagenen Wasserwegen kann man nur erahnen, wieviel Zeit und Mühe hier investiert wurde. Nebenbei bieten die Vögel, die sich über unseren Köpfen in den Bäumen befinden ein bezauberndes Konzert, welches klanglich durch unsere rhythmischen Paddelschläge begleitet wird. So gleiten wir also über 1 1\2 Stunden staunend durch diese zauberhafte Welt dahin und machen zwischendurch einen Stopp bei der Gin-Brennerei des Dorfes. Unser Guide Thomas nimmt sich die Zeit mit uns die kleine Destillerie, welche sich auf einem winzigen Erdhügel im Wasserlauf befindet anzuschauen. Er erklärt uns wie der Gin produziert wird, leider ist die dafür zuständige Person nicht anwesend. Berauscht von den bisherigen Eindrücken und vielleicht auch vom Schnüffeln am Rohprodukt geht es noch einige Zeit weiter. Unser Wunsch Affen zu sehen, erfüllt sich leider nicht mehr, obwohl wir extra an eine Stelle fahren, die laut Thomas gut dafür geeignet ist. Also geht es mit zunehmend langsameren Paddelschlägen zurück zum Dorf, wo unsere Abfahrt Richtung Busua zeitnah auf uns wartet.

Die alten Männer und das Meer

Nach dem wir mit dem Motorboot von Nzulezo wieder in Beyin angekommen sind, wurden wir von Thomas in ein Taxi Richtung Busua gesetzt. Dort angekommen haben wir uns für die Dadson Lodge entschieden. Eine Unterkunft, über die wir in einem Blog gelesen haben. Das große Zimmer, inklusive Balkon mit Meeresblick für 30 Cedi pro Nase konnte sich sehen lassen. Auch wenn Helena, nachdem wir in der Scorpion Hills Lodge waren, viel lieber dort geblieben wäre, aber das lag vielleicht nicht nur an der komfortableren Unterkunft…J.

Unser Aufenthalt am Strand wurde leider von einer dicken Wolkendecke getrübt, was uns aber nicht davon abhielt die Zeit dort zu genießen. Für eine exzellente Verpflegung sorgten Frank der Juice Man mit seinen leckeren Säften, Daniel der Pan Cake Man und die vier sehr sympathischen Damen vom Okorye Tree, die uns ein ums andere Mal mit ihren Kochkünsten begeistern konnten.  Neben zwei schönen Strandausflügen, welche grandiose Aussichten boten, bleiben vor allem die Tage auf dem Surfboard, genauso wie eine lange Nacht, die einige tiefe Blicke in unsere Gläser bereithielt, in Erinnerung. Mit Lapdance, wie auch einem Heiratsantrag im Gepäck konnte sich David dort die meisten Trophäen ergattern, was sehr zur Unterhaltung aller beitrug. Zwei verrückte Franzosen brachten dann das Fass letztendlich zum Überlaufen, indem sie ohne Hemmungen die nicht-vorhandenen Rum Cola Fässer in Beschlag nahmen. Die Rechnung ließ sich am folgenden Tag in den Gesichtern sämtlicher Beteiligter ablesen, wodurch jener gezwungener Maßen etwas ruhiger gestaltet wurde. Ordentlich gewaschen wurden David und ich ebenfalls bei den täglichen Surfeinheiten, die neben diesen wenigen Momenten des absoluten Glücks, vor allem einen Haufen blauer Flecken und literweise Salzwasser für uns bereithielten. Spaß hatten wir aber allemal und der Preis von 30 Cedi für einen Tag ist auch angemessen gewesen (Ahanata Waves Surf School). Gegen die durchtrainierten Surf-Boys von Busua Beach sahen wir ganz schön alt aus und fühlten uns auch so…

[26.05] Es gibt wohl nur wenige Straßen in Ghana, die in schlechterem Zustand sind, als die Forststraße von Busua nach Cape Three Points, dem südlichstem Punkt Ghanas. Dort erstrecken sich drei Landzungen in den offenen Ozean. Rauschende Wellen knallen mit voller Wucht auf die steinigen Felsklippen und der weiß-rote Leuchtturm rundet das malerische Ambiente ab. Einzig und allein die An- und Abreise stellte uns und unseren Fahrer vor ein großes Abenteuer. Auf dem Hinweg hatten wir mit unserer Blechkiste noch keine Probleme, durch den modrigen Schlamm zu kommen, doch sollte sich dies auf der Rückfahrt in ein dreckiges Desaster wandeln, bei dem Bastian beim Anschieben des Wagens von Kopf bis Zeh mit Dreck vollgeschleudert wurde, sodass man nicht mehr wusste was nun dreckiger war: Er oder das Auto. Da half einzig und allein ein Sprung ins Meer. Glücklicherweise entdeckten wir so eine sehr schöne Bucht und bestellten uns aufgrund fortgeschrittener Stunde überteuerten Fisch und Reis in einer der touristischen Beach Resorts, die sich über die gesamte Westküste erstrecken. Da die Straße in der Regenzeit nicht direkt bis zum Kap befahrbar ist, wählte der Fahrer das Escape Beach Resort als Ausgangspunkt für unsere halbstündige Wanderung. Es lohnt sich ein Aufenthalt im Escape Beach Resort einlegen, denn das mit viel Liebe fürs Detail von Franzosen geführte Beach Resort beherbergt schöne Hütten an einem sauberen Strand und lädt ein zum Verweilen und Chillen.

 

Abschied nehmen – Andere Dörfer haben auch schöne Ziegen…

Da wir unsere Reisepässe am Dienstag abholen müssen bleiben wir noch in Accra, wo wir von Herr Agudey einen Anruf erhalten: „Es sind zwei weitere Praktikantinnen eingetroffen. Wir haben Davids Zeug in Bastian Zimmer getan. Bitte denkt daran Geld abzuheben um den restlichen Monat zu bezahlen.“

Völlig vor den Kopf gestoßen können wir kaum glauben, was er uns gerade gesagt hat. Es war vor Praktikumsbeginn ausgemacht, dass jeder von uns einmalig 300€ (ca. 1500 Cedi) für Unterkunft und Verpflegung bezahlt. Ich finde es nicht in Ordnung, dass er im Nachhinein nochmalig Geld verlangt. Unser Gefühl, dass er nur auf unsere finanziellen und materiellen Spenden scharf ist und unser Engagement und Einsatz in der Schule weniger wertgeschätzt werden, verfestigt sich zunehmend. Auch finden wir es untragbar, dass er ohne mit uns zu sprechen in mein Zimmer geht und meine privaten Sachen, darunter meinen Laptop und weitere Wertsachen, in Bastians Zimmer trägt. Generelles Problem ist, dass die fachliche Betreuung seinerseits sehr zu wünschen übrig lässt und er mich und die anderen Praktikanten oftmals im Dunkeln lässt. Er kommuniziert kaum mit uns und wir müssen uns ausschließlich selbst um unsere Aufgaben und unsere Arbeit kümmern. Auch wussten wir von der Ankunft der anderen Praktikantinnen nichts, die nun auch noch meine Mathematikstunden übernommen haben. Bastian und ich sind nun bis auf das Ballheldenprojekt und die Sportstunden „arbeitslos“. Wir sind Menschen mit denen man jederzeit reden kann, doch von der Umgangsart sind wir einfach nur enttäuscht.

Wir finden es sehr schade, dass sich Herr Agudey so unangemessen verhält. Wir denken, dass dies auch nicht auf kulturelle Differenzen oder Sprachbarrieren zurückzuführen ist, sondern auf rein finanziellem Interesse beruht. Dass „Volunteering“ in Ghana als Geschäftsmodell praktiziert wird ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar und unseres Erachtens auch in Ordnung, doch in diesem Ausmaß und wenn ein solches Verhalten seitens des Gastgebers an den Tag gelegt wird, dann möchten wir keinen Tag mehr freiwillig unsere Zeit, Energie und Geld zur Verfügung stellen, um dieses Prozedere zu unterstützen.

Da wir aufgrund dieser Entwicklung die Entscheidung trafen das Praktikum vorzeitig beenden mussten Bastian und ich das Ballhelden-Projekt nun zügig durchziehen und die Siegerehrung durchführen bevor wir am Freitag mit Helena nach Accra reisten. Der Abschied von den Schülern fiel nicht leicht und auch die neugewonnen Lehrerfreunde konnten sich die Tränen kaum verdrücken. Wir haben die Zeit mit den Schülern und Lehrern sehr genossen und hatten eine Menge Spaß, auch die Rückmeldung der Schüler war sehr herzlich und viele waren über unseren voreiligen Abschied betrübt. Und so Stand dieses Wochenende unter dem Stern des Abschieds, denn auch Helena verließ uns am Samstag nach acht Wochen gemeinsamen Praktikums in Richtung Südafrika. An dieser Stelle wollen wir uns auch bei dir für eine sehr schöne Zeit bedanken und wünschen dir viel Spaß mit den Big Five, aber eins ist sicher: „A bissl spinna duasd fei scho ge, Hele!“

Wie Bastian und ich die nächsten vier Wochen verbringen werden, steht noch in den Sternen. Doch eins steht fest: „A bissl wos geht immer!“ Irgendwie werden wir uns schon durchschlagen und entdeckungsfreudige Typen sind wir sowieso!