Es ist schon wieder Montag. Unglaublich wie schnell die Zeit hier vergeht! Etwas müde sitze ich nun hier in Rūjiena in der WG und denke an das vergangene, sehr ereignisreiche Wochenende.
Am Freitag Abend feierten die Zwölftklässler der Rūjiena Vidusskola ihre vor sich liegenden Abschlussprüfungen und ich durfte dabei sein. Die Halle war sehr festlich geschmückt, jeder hatte sich für dieses Event schick gemacht und fast jeder Lehrer der Schule war anwesend. Zunächst fand ich es etwas seltsam, dass die Abschlussfeier vor den Abschlussprüfungen stattfand, doch das ist eine langjährige Tradition hier in Lettland. Genauso wie die Tatsache, dass die Abschlussklasse ein Theaterstück vorträgt, welches sie monatelang eingeübt haben. Dementsprechend waren die Schüler sehr aufgeregt, aber sie meisterten es fabelhaft. Man merkte selbst als Außenstehender wie wichtig ihnen dieser Tag war und wie viel Mühe sie sich gegeben hatten mit den Vorbereitungen.
Ganz traditionell erhalten die Schüler auf dieser Feier eine Anstecknadel der Rūjiena Vidusskola als Erinnerung an ihre Schulzeit. Außerdem bekommen die Eltern ein selbstgebasteltes Geschenk von ihren Kindern als Dankeschön für ihre jahrelange Unterstützung.
Da an der Schule die Musik eine große Rolle spielt, wurde natürlich auch viel gesungen. Besonders beeindruckt hat mich die Stimmung, als alle Anwesenden gemeinsam die Nationalhymne anstimmten und ein Schüler eine riesengroße, lettische Flagge nach vorne zur Bühne trug. Denn in diesem Moment konnte man den Stolz der Eltern, Lehrer und Schüler auf ihr Land und ihre Schule förmlich spüren.
Samstag früh machten Ricardo und ich uns dann auf den Weg nach Rēzekne. Da wir für den Weg dorthin relativ lange brauchten, entschieden wir uns dazu, dort über Nacht zu bleiben. So weit entfernt ist die Stadt eigentlich gar nicht, doch hier dauert das Reisen viel länger als in Deutschland, da man ohne Auto nur mit dem Bus vorwärts kommt. Natürlich gibt es auch Züge, doch die sind uralt, sehr langsam und nicht empfehlenswert.
Doch ich fand es gar nicht so schlimm, lange unterwegs gewesen zu sein. Denn auf diese Weise konnte ich die Landschaft Lettlands besser kennen lernen, welcher wirklich etwas zauberhaftes anhaftet. Oft fährt man kilometerweit und sieht nichts außer Wälder und Felder. Und der Schnee sorgt dafür, dass man sich wie in einem Winterwunderland fühlt. Dann, völlig überraschend, tauchen wie aus dem Nichts ein bis zwei Häuser auf, welche Kilometer von der nächsten Stadt entfernt sind. Sie wirken inmitten von Bäumen und Wiesen irgendwie fehl am Platz. Als hätte jemand vorgehabt, ein Dorf zu errichten und nach kurzer Zeit die Lust an seinem Vorhaben verloren. Und diese Häuser sind bewohnt! Der Bus hält dann mitten im Nirgendwo, Menschen steigen aus und ich fragte mich, ob sie tatsächlich so weit abseits jeglicher Zivilisation leben. Doch es sieht ganz danach aus, denn es gibt hier viele solcher Orte.
Als wir dann in Rēzekne ankamen, erinnerte die Stadt eher an Russland als an Lettland (das liegt daran, dass Rēzekne sehr nah an der russischen Grenze liegt). Außerdem gab es sehr viele leerstehende Geschäfte und Cafés und alle Menschen redeten Russisch. Das war zu Beginn wirklich etwas befremdlich, da wir doch in Lettland waren! Doch nach kurzer Zeit gewöhnten wir uns daran und stellten nach einer kleinen Erkundungstour fest, dass die Stadt einige sehenswerten Kirchen besitzt und eine Burg, die zwar eher einer Ruine gleicht, aber dennoch eine gewisse Schönheit besitzt. Trotzdem ist sie meiner Meinung nach nicht so schön wie Cēsis, wo ich letztes Wochenende war.
Deshalb und weil der Ausflug wirklich etwas anstrengend war, bin ich froh gewesen als wir wieder in Rūjiena angekommen waren und freue mich nun auf diese Schulwoche.