Lettland,  Rūjiena

Labā diena no Rīgas!

Ich bin völlig überwältigt von den Eindrücken dieser Woche. Es wird hier zwar nie langweilig, doch diese Woche war besonders spannend für mich. Denn ich hatte das erste Mal die Möglichkeit, zu unterrichten und habe die Grundschule kennengelernt, welche von den Bewohnern Rūjiena schmunzelnd „kleine Schule“ genannt wird. Das finde ich schon ein bisschen witzig, denn die weiterführende Schule ist im Vergleich zu deutschen Schulen auch keine große Schule. Aber hier muss alles in einer anderen Dimension betrachtet werden, denn Lettland ist alles andere als ein großes Land.

Als ich in der Grundschule ankam, wurde ich sofort (genau wie in der Rūjiena Vidusskola) sehr herzlich empfangen und gleich gefragt, ob ich bereit wäre, in zwei Tagen die Stunden einer Lehrerin zu vertreten. Diese Chance wollte ich natürlich nutzen, auch wenn ich weder die Kinder kannte, noch ihre Englischkenntnisse einschätzen konnte. Es schien also spannend zu werden. Doch es klappte erstaunlich gut. Allerdings war der Unterricht für die Grundschulkinder eine enorme Herausforderung, da ich natürlich kein Lettisch spreche und sie so nur mithilfe ihrer bisherigen Englischkenntnisse mit mir kommunizieren konnten. Das fiel besonders den Erstklässlern sehr schwer, die gerade mal seit einem halben Jahr Englisch lernen. Doch sie gaben sich große Mühe und mit viel Gestik und Mimik gelang der Unterricht trotz der Sprachbarriere relativ gut.

Ich war trotzdem froh, dass am nächsten Tag wieder eine Lehrerin bei mir war und ich den Unterricht nicht mehr komplett alleine meistern musste. Sie erzählte mir, dass die Schule großen Wert darauf lege, die Talente der einzelnen Kinder zu fördern und ihre Fähigkeiten zu würdigen. Dafür gibt es pro Woche extra eine Stunde, in welcher die Kinder zeigen dürfen, was sie können (ein Stück auf ihrem Instrument spielen, einen Tanz zeigen, etc.). Diese Woche durften alle musisch begabten Schüler der Klasse ein Stück vorspielen. Die Leistung jedes Kindes wurde dann mit einem Applaus gewürdigt. Das war für mich sehr beeindruckend, denn eine Stunde wie diese habe ich noch nie erlebt. Sie gibt den Kindern die Möglichkeit, auch außerhalb der Schulfächer eine Würdigung für ihre Leistungen zu erlangen. Das fand ich wirklich klasse.

Doch damit nicht genug: Nach dieser Stunde standen lettische Volkslieder auf dem Stundenplan. Die Kinder sangen sie und tanzen dazu typische Schrittfolgen. Und ich war nicht nur Zuschauer, sondern sollte genau wie alle anderen mitmachen! Die Kinder nahmen mich wie selbstverständlich ohne zu zögern an die Hand, bildeten einen Kreis und tanzten mit mir. Das war wirklich witzig, denn natürlich hatte ich keine Ahnung von der Schrittfolge geschweige denn von dem Liedtext. Doch das machte nichts, die Zweitklässler zogen mich einfach hinter sich her und ich versuchte so gut es geht mitzutanzen.

Am Wochenende stand dann ein Trip in die Hauptstadt Lettlands auf meinem Programm. Gemeinsam mit der Portugiesin Mariana, die auch mit mir in der WG wohnt, erkundete ich Riga, welche auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes steht und als wir durch die verwinkelten Straßen tigerten, verstand ich auch, warum. Denn es ist eine wunderschöne Stadt! Überall sieht man spielerisch verzierte Häuser in den buntesten Farben während riesige Kathedralen in den Himmel ragen. Besonders die
Kristus Piedzimšanas pareizticīgo katedrāle faszinierte mich. Denn ihr goldenes Dach strahlte mit der Sonne um die Wette, welche uns samstags vom wolkenlosen Himmel ins Gesicht schien und uns trotz der eisigen Temperaturen etwas wärmte. Innen war die Kirche mit riesigen Wandgemälden in prachtvollen Farben verziert und ein goldenes Altar und goldene Kerzenleuchter rundeten das Gesamtbild ab.

Und selbst hier in der größten Stadt Lettlands scheint die Zeit langsamer zu vergehen und der Stress ein seltener Gast zu sein. Ruhe und Gelassenheit empfangen einen herzlich und diese Stimmung überträgt sich ganz automatisch auf einen selbst. Das ist wirklich ein besonderes Erlebnis, denn in Deutschland ist man ja normalerweise ständig von Stress umgeben und scheint (bei mir besonders während der Klausurenphase in der Uni) kaum Zeit für die wirklich schönen Dinge im Leben zu haben. Da tut eine solche Ruheoase wirklich gut!