Ayacucho,  Peru

„¡Que se quede!“

Mit diesen Worten wurde ich vor gut zwei Wochen von den Kinder in der Casadeni begrüßt, es heißt so viel wie: „Wir wünschen uns, dass sie bleibt“. Nach 14 Stunden fliegen und 10 Stunden Bus fahren, war ich sehr froh nun endlich in Ayacucho, einer Stadt in den peruanischen Anden, angekommen zu sein. Die herzliche Begrüßung aller Kinder und Lehrer machte die anstrengende Anreise sofort wieder gut und ich hatte einen wunderschönen ersten Tag, in einer mir noch völlig fremden Kultur.

Mittlerweile bin ich es gewöhnt mal kein fließendes Wasser zu haben (ich stand schon mit Shampoo in den Haaren unter der Dusche und plötzlich kam kein Wasser mehr!) oder ein paar Stunden ohne Strom auskommen zu müssen. Das ist der Alltag in Ayacucho. Als ich ankam, bewaffnet mit Desinfektionsmittel, Unmengen an Reinigungstüchern und einer riesigen Medikamententasche, machte mir das Leben hier zunächst sehr Angst. Dreckige Straßen, streunende Hunde, Märkte mit gewöhnungsbedürftigem Geruch und Armut, viel Armut. Zahlreiche Menschen verdienen hier ihr Geld, in dem sie auf den riesigen Märkten (insgesamt 11 Stück in der Stadt) jeden Tag hart arbeiten. Unter ihnen sehr viele Kinder. Neben Kleidung, Gebrauchsgegenständen und Schulsachen, werden hier Fleisch, Käse, Obst und Gemüse verkauft. Also wirklich alles. Einen normalen Supermarkt, so wie man ihn in Deutschland kennt, habe ich bis jetzt nur einen einzigen entdeckt. Bei meiner „Casera“ (so werden hier die Personen genannt, die auf den Märkten verkaufen) bekomme ich 8 Bananen für einen Sol, das entspricht umgerechnet circa 33cent. Generell ist das Leben für einen Europäer hier vergleichsweise sehr günstig, für die Menschen in Ayacucho selbst ist jedoch jeder einzelne Sol von großer Bedeutung.

Aber nun endlich zu den schönen Dingen: meinem Praktikum im Kinderhaus des BLLVs. Wie bereits gesagt, wurde ich unendlich herzlich von allen empfangen und so ging es auch die kommenden Wochen weiter. Sobald Mia (meine Mitpraktikantin) und ich in der früh das Gebäude betreten, laufen uns die Kinder, egal ob 3 Jahre oder 12 Jahre, entgegen, begrüßen uns mit einem Kuss auf die Wange und werfen sich uns um den Hals. Von den Größeren werde ich „Miss Ramona“ genannt, aber für die Kleinen, die meinen Namen noch nicht richtig aussprechen können, bin ich „Miss Mona“, was ich unglaublich süß finde. An einigen Tagen wollen uns die Kleinen gar nicht mehr loslassen und halten uns mit aller Kraft fest. „Cargame, cargame“ („trag mich, trag mich“) ist ein Begriff, ohne den kein Tag vergeht. Wenn wir es doch mal schaffen uns von den Kindern loszumachen, planen wir unsere Tallers für die Woche. Taller bedeutet so viel wie Workshop und von diesen werden jede Woche verschiedene angeboten. Während der Ferienzeit (hier sind gerade Sommerferien) bietet die Casadeni außerdem eine „Clase de matemática“ und eine „Clase de comunicación“ für die Grundschulkinder an, also ein zusätzliches Lernangebot in den Ferien, welches von zahlreichen Familien dankend angenommen wird. Bildung ist hier nämlich nicht so selbstverständlich wie in Deutschland. Gleich in meiner zweiten Woche sollten Mia und ich Professor Zenobio (den Grundschullehrer) vertreten und durften seine Unterrichtseinheiten übernehmen. Zunächst war das eine ziemlich große Herausforderung, da wir überhaupt keine Ahnung hatten auf welchem Stand sich die Kinder befanden. Letztendlich ergab sich aber eine tolle Gelegenheit mein angesammeltes Wissen aus der Uni praktisch auszuprobieren und es machte enorm viel Spaß. Mit den Erst- und Zweitklässlern behandelten wir in Mathe beispielsweise die Verliebten Zahlen.

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Am Wochenende machen Mia und ich immer tolle Ausflüge, die Landschaft ist hier überall unbeschreiblich schön. Letzten Sonntag besuchten wir beispielsweise alte Wari-Ruinen (ein Volk, das noch vor den Inkern in Peru lebte). Abends gehen wir essen oder noch ein bisschen durch die Stadt, aber vor 8 sind wir meistens zu Hause, da es hier nicht üblich ist, alleine als Frau nachts draußen zu sein. Da Ayacucho nicht sehr touristisch ist, sind wir die einzigen Menschen mit weißer Haut weit und breit und fallen sowieso schon genug auf. Auch wenn wir das Wort „Gringita“ (bedeutet so viel wie: ein Mädchen mit weißer Haut) auf der Straße oft zu hören bekommen, werden wir insgesamt von allen Leuten sehr freundlich und warmherzig aufgenommen.

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Allein in meinen ersten zwei Wochen in Peru wurden bereits alle meine Vorstellungen einmal um 180 Grad gewandelt. Hier in Ayacucho leben zwar teilweise sehr arme, aber trotzdem glückliche Menschen, die unglaublich viel Lebensfreude ausstrahlen. Die anfänglichen Ängste sind so gut wie verflogen und ich versuche mich voll und ganz auf das Leben in Peru einzulassen. Dazu gehört eben auch eine schlechte Internetverbindung (ich kann froh sein, dass ich überhaupt welche habe), Stromausfall und teilweise kein Wasser. Mittlerweile schäme ich mich dafür, dass ich in vergleichsweise wirklich luxuriösen Verhältnissen wohne, während einige Kinder aus der Casadeni durchgehend schnupfen haben (bei täglich 20-25 Grad), weil sie nachts frieren müssen.

Ich bin unendlich dankbar, dass ich diese Erfahrungen sammeln und so viele beeindruckende Menschen kennen lernen darf. Täglich lerne ich immer mehr über das Land, die Leute und auch über mich selbst. Ich freue mich auf alles was noch kommt.