Langsam, ganz langsam findet der Frühling auch in Lettland Einzug. Noch etwas zögerlich, aber dennoch sichtbar vertreibt er den launischen Winter und lässt den Schnee schmelzen. Zurück bleiben große Pfützen und die Hoffnung auf den Beginn der warmen Monate, während die Sonne schüchtern hinter den dichten Wolken hervorspitzt und die ersten Schneeglöckchen aus der Erde lockt.
Dieser Frühlingsanfang kam genau pünktlich zu den Ferien letzte Woche, was wirklich super war. Doch auch wenn ich nicht zur Schule musste, hatte ich nicht viel Freizeit. Denn das Jugendzentrum bot eine kreative Woche für alle Schüler in dieser Stadt an und ich hatte mich dazu entschieden, dort mitzuhelfen. Das war auch gut so, denn bei über dreißig sehr aktiven Kindern und Jugendlichen ist jede helfende Hand willkommen.
Besonders am Freitag, als wir einen Ausflug in eine Sporthalle nach Riga machten, brauchten wir viel Energie, um die wilde Bande im Zaun zu halten. Sie sprangen Trampolin, kletterten, fuhren Skatboard und natürlich kamen auch wir Betreuer nicht ungeschont davon. Denn den Kindern machte es große Freude, uns ebenfalls aufs Trampolin zu ziehen und Tipps für den perfekten Sprung zu geben, die wir natürlich sofort ausprobieren mussten. Danach waren wir Betreuer fix und fertig, was die scheinbar nie ermüdenden Kinder überhaupt nicht verstehen konnten.
Ein kleines Beispiel: Mein Versuch, im Bus ein kurzes Nickerchen zu halten, wurde sofort jäh von einem neunjährigen Mädchen unterbrochen, die unbedingt jetzt ein lettisches Spiel mit mir spielen wollte (das sie natürlich gewann weil sie mir die Regeln nur auf lettisch erklärt hatte, welche ich – welch Wunder – nicht verstanden hatte). Das wars dann mit dem ausruhen…
Doch ich bereue es keine Sekunde, an dieser Woche teilgenommen zu haben. Denn so hatte ich die einmalige Möglichkeit, die Schüler von einer ganz anderen Seite als bisher kennen zu lernen – und sie mich. Das war nicht nur sehr interessant, sondern auch nützlich für den Unterricht. Denn als ich diese Woche wieder in der Schule war, wurde ich plötzlich viel herzlicher von den Kindern begrüßt. Außerdem begannen nun Jugendliche, die ich bisher eher schüchtern und zurückhaltend erlebt hatte, unbefangen mit mir zu reden. Das ist wirklich eine tolle Erfahrung!
Doch als die kreative Woche zu Ende war, fuhr ich nicht zurück nach Rūjiena, sondern nahm die Einladung von meinen WG-Mitbewohnern an, an einem Event ihrer Organisation der EVS (European volunteer service), teilzunehmen. So traf ich in Jelgava nahe Riga junge Menschen aus aller Welt, die alle hier in Lettland für einen begrenzten Zeitraum arbeiten. Das war wirklich sehr international und spannend. Denn jeder von ihnen hatte Geschichten über seine Zeit hier zu erzählen und witzige Momente zu teilen. So saßen wir abends alle um ein Lagerfeuer herum, aßen gemeinsam Suppe und gegrillte Würste, sangen englische Lieder und verbrachten zwei wirklich schöne Tage zusammen, bevor ich mich wieder auf den Weg nach Rūjiena machte, um (wirklich müde nach so vielen neuen Erfahrungen) in die neue Schulwoche zu starten.
Und hier sitze ich jetzt in der WG, immer noch (oder schon wieder?) reif für das Wochenende, obwohl gerade erst Ferien waren. Doch ausruhen will ich mich deshalb noch lange nicht. Ich möchte vielmehr noch möglichst viel Neues erleben in der kurzen Zeit die mir noch bleibt bis ich wieder zurück nach Deutschland fliege.