Vier Wochen Vietnam und die Hälfte meiner Zeit hier ist schon vorbei, kaum zu glauben. Aber zurück zum Anfang: Meine Betreuerin Huong, die hier in Hai Phong das Deutschzentrum leitet an dem ich unterrichte, holte mich nach meiner Ankunft vom Flughafen ab und brachte mich direkt zu meinem neuen Zuhause, bei einer vietnamesischen Gastfamilie. Die Familie besteht aus der Gastmama Thuy, der Gastoma Cuc (die kein Wort Englisch spricht, aber wirklich ein Goldstück ist) und meinem Gastbruder Minh (13). Da meine Gastmutter die ersten Tage nicht in Hai Phong war, gestaltete sich das Leben in der Familie zu Beginn aufgrund einiger Kommunikationsprobleme etwas schwierig. Das hat sich aber schnell gelegt und mittlerweile fühle ich mich super wohl. Was gibt es auch besseres als ein frisch gekochtes Mittagessen von Omi jeden Mittag? 😉 Nicht nur in der Familie kommt es allerdings zu Kommunikationsproblemen. Hai Phong ist mit fast 900.000 Einwohnern zwar die drittgrößte Stadt Vietnams, aber sehr von der Industrie geprägt und deswegen kaum touristisch. Nur wenige Menschen sprechen hier Englisch und ich weiß nicht auf wie vielen Handys mittlerweile Selfies mit mir zu finden sind, gefühlt auf jeden Fall auf allen 900.000. Ich falle hier einfach auf, werde oft schräg angeschaut und meine blonden Haare werden besonders gerne begutachtet und auch angefasst. Anfangs war das alles etwas seltsam und gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweile ist es „ganz normal“ für mich. An die Tatsache, dass ich oft aufgrund der Sprachbarriere keine Ahnung habe, was ich da gerade esse oder trinke habe ich mich auch gewöhnt, aber da ich sowieso gerne einfach alles ausprobiere, hab ich das auch nie wirklich als Problem empfunden.
Auch der vietnamesische Verkehr war am Anfang definitiv schockierend: Motorroller – soweit das Auge reicht; Verkehrsregeln – gibt es nicht; rote Ampeln – egal; bis zu 4 Personen auf einem Roller – kein Problem! Etwas gewöhnungsbedürftig fand ich auch mein Transportmittel zur Schule – das Grab-Bike: Per Handy-App bestellt man sich ein „Taxi“, dann kommt ein Rollerfahrer (das Taxi), man setzt sich hinten auf den Roller und los geht die wortwörtlich wilde Fahrt. Das Angenehme daran, der Preis wird vorher bereits fix in der App angezeigt und somit gibt es darüber keine Diskussion. Außerdem ist man mit dem Motorroller bei den verstopften Straßen hier einfach viel schneller unterwegs als mit dem Auto. Nach einer Woche habe ich mich dann das erste Mal getraut den Schulweg mit dem Fahrrad zu bewältigen, nicht ganz einfach aber mittlerweile macht es mir sogar richtig Spaß. Wenn ich mich inklusive Mundschutz und Regenmantel dann so durch den Verkehr schlängle, fühle ich mich manchmal sogar fast schon ein bisschen vietnamesisch.
Einblick in das vietnamesische Schulsystem bekomme ich durch meine verschiedenen Schuleinsätze aber auch besonders durch das Zusammenleben mit meinem 13-jährigen Gastbruder der sich gerade auf die wichtigen Prüfungen zum Übertritt an die „Oberschule“ (10. bis 12. Klasse) vorbereitet. Ich unterrichte Deutsch als Fremdsprache im Deutschzentrum welches meine Betreuerin Huong leitet. Die Schülerinnen und Schüler (SuS) dort sind unterschiedlichsten Alters, haben aber alle gemeinsam dass sie freiwillig Deutsch lernen. Aufgrund dessen sind wirklich alle SuS super motiviert und der Unterricht macht total Spaß. Auch die geringe Anzahl von SuS in den jeweiligen Klassen (maximal 12) schafft eine super Arbeitsatmosphäre und macht das Unterrichten sehr entspannt. Die Kurse hier finden vormittags und abends statt. Zusätzlich habe ich die Chance an der Marie Curie Oberschule, sechs 10. Klassen jeweils einmal pro Woche in Englisch zu unterrichten. Das ist für mich als angehende Gymnasiallehrerin mit dem Unterrichtsfach Englisch natürlich besonders spannend. Das Niveau ist jedoch nicht vergleichbar mit einer deutschen 10. Klasse und meine Aufgabe ist es mit den SuS besonders an deren Aussprache und Intonation zu arbeiten. Bei oft weniger motivierten SuS und einer durchschnittlichen Klassenstärke von 40-50 Schülern, die noch dazu wenig Englisch verstehen, kann so eine Unterrichtsstunde dann manchmal ganz schön nervenaufreibend sein. Zudem ist die Schule hier sehr autoritär geprägt und ich fühle mich oft komisch wenn die SuS z.B. aufstehen müssen wenn sie sprechen. Der Unterricht hier ist in dieser Hinsicht schon sehr anders und steht in vielerlei Hinsicht im Gegensatz zu der Fremdsprachendidaktik, die in deutschen Universitäten an Lehramtsstudenten vermittelt wird. Trotzdem kann ich hier wirklich viel lernen und ich habe auch Freude daran mich in jeder Stunde den neuen Herausforderungen zu stellen.
Vier Wochen Vietnam und auch wenn es bis jetzt nicht immer einfach war bin ich total froh mich für ein Praktikum in Hai Phong entschieden zu haben. Sei es das leckere vietnamesische Essen das ich hier jeden Tag genießen kann (mein Lieblingsessen ist übrigens das regionale Gericht „Bánh Đa Cua“ = Krabbennudeln), meine immer besser werdenden Vietnamsisch-Kenntnisse oder die Gelassenheit mit der hier die Probleme des Alltags oft genommen werden. Ich freue mich auf die verbleibende Zeit meines Auslandspraktikums.