Stellenbosch,  Südafrika

„You MUST enjoy yourself!“ – Tausche deutschen Sommer gegen südafrikanischen Winter

Hallo liebe Leser*in,

zunächst muss ich wohl erwähnen, dass ich unseren schönen und heißen deutschen Sommer gegen den nass-kalten südafrikanischen Winter getauscht habe. Er ist wahrscheinlich vergleichbar mit unserem Frühjahr bzw. Herbst. Es gibt wunderschöne, sonnige Tage, an denen es angenehme Temperaturen um die 20 Gard hat, die Nächte sind allerdings sehr kalt und so ziemlich alle Gebäude sind nicht isoliert, weshalb es drinnen meist genauso kalt wie draußen ist. Das kann ziemlich unangenehm werden, wenn es auch tagsüber nicht sehr warm und regnerisch bis stürmig ist.

Auf der BLLV-Website habt ihr bestimmt schon gelesen, dass der Auslandsaufenthalt in Südafrika zweigeteilt ist. Von ehemaligen Pratikant*innen habe ich erfahren, dass sie montags bis mittwochs in der Schule (Idas Valley Primary School) waren; donnerstags und freitags im After-Care-Programm von Usiko; und an manchen Wochenenden (teilweise auch unter der Woche) an Wilderness Camps von Usiko teilgenommen haben. Diese Regelung (und damit Regelmäßigkeit) war bei mir leider nicht möglich aufgrund der langen Ferien zwischen dem zweiten und dritten term des Schuljahres. Checke also vor deinem Aufenthalt, wie die Ferien fallen und wie lange diese dauern! In meinem Fall war der Ablauf daher folgender:

  • 1. Woche: Ausschließlich After-Care-Programme, da nicht klar war, ob ich vor den Ferien in die Schule kann aus zweierlei Gründen:
    a) Vor den Ferien werden at the end of term tests (teilweise auch in der Grundschule) geschrieben und somit findet kein Unterricht in den höheren Stufen (Jahrgang 4 bis 7) statt.
    b) Wie bei uns findet vor den Ferien auch kein richtiger Unterricht mehr statt und es werden oftmals Filme geschaut, wenn keine Prüfungen geschrieben werden. Somit können wir als Praktikant*innen auch keinen Unterricht beobachten.
  • 2. Woche: Der Rektor, Mr Gordon, hat trotz wenig Unterricht erlaubt, dass ich die Schule besuchen kann. Er ist sehr auf das Image und den Ruf seiner Schule bedacht. Ich war in einer 3. Klasse mit wenig Unterricht und vielen Filmen.
  • 3. und 4. Woche: Holiday-Care-Programm am Vormittag. Somit hatte ich Zeit, die nähere Umgebung zu erkunden (Franschhoek, Betty’s Bay, Stellenbosch selbst, u.v.m.).
  • 5. Woche: Kleiner Roadtrip entlang der Route 62 (sehr empfehlenswert als Alternative zur Garden Route) mit meinem Mitpraktikanten, da auch die Mitarbeiter*innen von Usiko eine Woche Urlaub hatten.
  • 6. Woche: Unerwartet frei, da hier in Südafrika die Kommunikation und Planungssicherheit etwas schwierig sein kann. Aber daran gewöhnt man sich schnell. Zum Glück habe ich zu diesem Zeitpunkt schon gesagt bekommen, dass der Rektor wieder zugestimmt hat, dass ich nochmal kommen kann, obwohl er keine großen Hoffnungen vor den Ferien gemacht hat, da im dritten term die Studenten der University of Stellenbosch in die Schule für ihre Praktika kommen und somit eigentlich (wortwörtlich) kein Platz im Klassenzimmer ist.
  • 7. Woche: Schule (2. Klasse) und ja, es ist tatsächlich sehr eng im Klassenzimmer mit ca. 40 Schüler*innen, Lehrkraft, assistant teacher, Student*in und mir, aber man kann sich arrangieren.
  • 8. Woche: weiterhin Schule und, weil ich die Kinder und After-Care-Leute vermisst habe, zusätzlich noch freiwillig After-Care-Programm.

Außerdem hatte ich die Möglichkeit an zwei Camps teilzunehmen. Das eine war mit 13- bis 14-jährigen Schulkindern, das andere war mit Erwachsenen zwischen 26 und 46 Jahren, die in ein Ausbildungsprogramm aufgenommen werden wollten und wobei das Camp ein Teil davon war.

Im Allgemeinen hat man hier in Südafrika während des Praktikums viel Freizeit, zum Beispiel an den Wochenenden (wenn gerade kein Camp ist), oder an den Nachmittagen. Teilweise konnte ich auch einzelne Programmpunkte von Camps mitmachen, wie Ausflüge nach Kapstadt oder Wanderungen. Der Aufenthalt hier in Südafrika bietet viel Abwechslung, verlangt aber im Gegenzug auch einiges an Spontanität. Das sollte man immer im Hinterkopf haben. Wenn dich im Detail interessiert, was ich erlebt habe, kannst du gerne auf meinem persönlichen Reiseblog vorbeischauen: https://findpenguins.com/5c4qi1v1fpb8f/trip/sudafrika-part-1-praktikum

Meine persönlichen Highlights während meines Aufenthalts in Südafrika:

1. Wilderness Camps

Obwohl ich absolut kein Camping-Fan bin, und dass erst recht nicht bei schlechtem Wetter, muss ich sagen, dass die Camps mein absolutes Highlight waren und ich etwas traurig bin, dass nicht mehr stattgefunden haben bzw. es zeitlich mit der Schule und unserem Roadtrip nicht gepasst hat. Ich werde nicht beschreiben, was dort passiert und gemacht wird. Man kann es auch gar nicht so richtig in Worte fassen. Man muss es miterleben, um alle Prozesse zu begreifen. Diese Camps haben mir gezeigt, wie wertvoll die Arbeit von Usiko ist und welchen Mehrwert sie diesem Land bieten. Usiko ist eine absolut engagierte NGO, die der Jugend und Menschen, die es nicht leicht im Leben haben und hatten, eine Perspektive verschaffen können. Die Camps sind zwar „nur“ ein kleiner Teil ihrer Jugend- und Sozialarbeit und Programme, aber dafür umso nachhaltiger.

2. After-Care- und Holiday-Care-Programm

Es ist herzerwärmend zu erleben, wie engagiert die Mitarbeiter*innen dieser beiden Programme sind. Viele Kinder kommen aus schwierigeren Elternhäuser und sie versuchen dies mit ihrem Herzblut und ihrer Liebe aufzufangen. Außerdem bekommen die Kinder hier ein warmes Mittagessen und je nach Bedarf an bestimmten Reward Days Schuhe, Kleidung, Spielzeug und Süßigkeiten. Zwar sprechen die Kinder als Muttersprache Afrikaans, aber auch mal mehr mal weniger Englisch, sodass die Kommunikation mit den Kindern gut möglich ist. Es wird viel gesungen, gespielt und gebastelt. Ich hatte aus Deutschland Plätzchen-Ausstecher mitgebracht, sodass ich mit den Kindern Salzteig-Anhänger gestalten konnte. Nach ein paar Tagen haben wir die getrockneten Anhänger dann mit Fingerfarben bemalt. Die Kinder hatten eine Menge Spaß, ebenso wie die Erwachsenen, die fleißig mitgebastelt haben. Die Usiko-Mitarbeiter*innen haben sich über neue Ideen gefreut.

3. Unterrichteinheit zu Deutschland

Da vor den Ferien, wie bereits beschrieben, fast kein Unterricht mehr stattfand, habe ich die Chance ergriffen, zwei Deutschstunden zu halten. Schon an meinem ersten Tag in der Klasse waren die Kinder so neugierig und haben viele Fragen zu Deutschland und unserer Sprache gestellt, dass ich sofort die Lehrerin gefragt habe, ob ich die Zeit vor den Ferien nutzen kann, Deutschland-Stunden zu halten. In der ersten Stunde habe ich „landeskundliche Inhalte“ über Deutschland vermittelt. Hierbei ging es um geographische Aspekte (Wo ist Deutschland?) und was „typisch deutsch“ (Flagge, Geld zum Anfassen, Essen, u.v.m.) ist. Abgeschlossen habe ich die erste Stunde mit dem Vorlesen eines Märchens aus einem englischen Grimms Märchenbuch. Besonders die Gebrüder Grimm gehörten zu meiner Kindheit, weshalb ich dachte, dass ich durch Storytelling ein Stück deutsche Kindheit vermitteln konnte. In der zweiten Stunde haben wir einen kleinen Dialog auf Deutsch eingeübt und einige Kinder haben sich sogar getraut, diesen vor der ganzen Klasse vorzuführen. Es war toll mit anzusehen, wie schnell sich die Kinder die Sätze einprägen konnten. Die Aussprache war erstaunlicherweise auch kein Problem, da Afrikaans sehr ähnlich zum Deutschen bzw. Niederländischen ist.

4.Uni-Führung und Stellenbosch-Führung in einem mit Tony

In meiner vorletzten Woche hier in Südafrika, hat uns Tony Naidoo (ein Gründungsmitglied von Usiko) eine Universitäts- und Stadtführung gegeben. Tony selbst ist bzw. war Professor der Psychologie hier in Stellenbosch und kennt sich daher bestens aus. Sein Schwerpunkt ist community psychology und mit seinem Wissen und seinen Erfahrungen hat er uns den für mich schönsten Tag bereitet. Nach sechs Wochen hatte ich bereits viel erlebt und gesehen und konnte dennoch einige Dinge nicht miteinander verknüpfen oder deren Hintergründe verstehen. Tony hat es mir ermöglicht mit seiner persönlichen Geschichte sowie der gesellschaftlichen und politischen Hintergründe des Landes, einen tiefen Einblick in die aktuellen gesellschaftlichen Strukturen zu geben. Ich hatte viele Aha-Momente und konnte viele Punkte miteinander verknüpfen und die Arbeit von Usiko zu einem großen Puzzle zusammensetzten. Wenn ihr die Möglichkeit habt, Tony kennenzulernen, dann fragt unbedingt nach einer Führung. Tony ist ein wahnsinnig herzlicher Mensch und hat sich sehr viel Zeit für uns genommen. Man hat gemerkt, dass ihm viel an seiner Arbeit liegt. Es war ein sehr erhellender Tag.

5. Weißwurst-Frühstück und Pizza als Dankeschön für das Usiko-Team und die Gastfamilie

Mein Mitpraktikant und ich wollten uns beim gesamten Usiko-Team und unser Gastfamilie mit einem Weißwurst-Frühstück für die tolle Zeit bedanken. Jede*r wollte uns eine unvergessliche Zeit ermöglichen, was stets mit der Aussage „You must enjoy yourself!“ betont wurde. Obwohl jeder mit seinem Alltag beschäftigt war – und ich oftmals nur stille Beobachterin war – habe ich mich nie ausgeschlossen gefühlt. Die Menschen hier sind sehr, sehr gastfreundlich und herzlich und stecken viel Herzblut in ihre Berufung und Leidenschaft. Viele sagten, es sei keine Arbeit für sie, sondern God’s calling und ihre passion. Mir wurde so viel ermöglicht und da war es das Geringste auf eine lange, abenteuerliche Suche nach Weißwürsten zu gehen, um meinen Dank auszudrücken. Auch die Zubereitung des Kartoffelsalats war in der fremden Küche von Aunty Rosie (unserer Gastomi) nicht einfach, aber wir konnten allen eine kleine Freude und Auszeit bereiten, was mich sehr glücklich gemacht hat. Leider war ich Rosies letzter Gast. Aus gesundheitlichen Gründen haben sie und ihre Familie beschlossen, keine weiteren Praktikant*innen aus Deutschland aufzunehmen.

Vielen Dank lieber Arnold (Executive Director), Leana, Cathy-Ann, Lynette, Ferdi, Chandré, Darrius, Calveline, Christina, Dodo, Tony und Vernon von Usiko!

Vielen Dank an die Gastfamilie! Allen voran Aunty Rosie, Khaylen (Stiefenkel und bester Mitbewohner im Haus), Clint (Rosies Sohn), Purdey (Rosies Schwiegertochter und Khaylens Mutter), Jamey (Nachbarin) und Daisy (Rosies verrückter Terrier)!

Baie, baie dankie! I had a lekker time here with you all and with that I’m checking out.