Nach meinen ersten vier Wochen in Vietnams drittgrößter Stadt, kann ich nur sagen: Hai Phong, ich werde dich vermissen!
Ende April habe ich mich, bepackt mit einem großen Rucksack und und einem Gefühlschaos aus Freunde, Angst und Neugierde, auf den Weg nach Vietnam gemacht. Nach ca. 26 Stunden und zwei verspäteten Flügen bin ich endlich in Hai Phong angekommen. Dort wurde ich von meiner Betreuerin Huong und ihrer Familie abgeholt und zu meiner Gastfamilie gebracht. Meine Gastfamilie besteht aus der Oma Cuc, der Mutter Thuy und dem Sohn Minh. Sie leben in einem großen, wunderschönen Haus, in dem ich mein eigenes Zimmer und Bad habe. Der Sohn und die Gastmutter sprechen Englisch und helfen mir bei jedem Problem weiter. Da Oma Cuc nur vietnamesisch spricht, ist hier Zeichen- und Körpersprache erforderlich, was aber wirklich erstaunlich gut klappt. Jeden Tag kocht die Oma frisch und lecker für die ganze Familie. Ich fühle mich bei meiner Gastfamilie unglaublich wohl!
Um ehrlich zu sein, hatte ich zu Beginn meines Vietnam-Aufenthalts einen kleinen Kulturschock. Das Essen hat zu Beginn sehr ungewohnt geschmeckt, im Stadtverkehr hatte ich Angst um mein Leben und die meisten Einwohner sprachen kein Wort Englisch. Mittlerweile liebe ich aber das vietnamesische Essen, bin mit meinem Fahrrad selbst Teil des Verkehrs und habe mich an Körpersprache und die viele Aufmerksamkeit, die man hier als Europäer bekommt, gewöhnt.
Das Deutschzentrum
Die meiste Zeit unterrichte ich an einem Deutschzentrum mit den Niveaustufen A1, A2 und B1, das von meiner Betreuerin Huong geleitet wird. Hier lernen Schüler im Alter von 13 bis 50 Jahren – die meisten sind aber ca. 20 Jahre alt. Das war für mich als angehende Grundschullehrerin eine besonders spannende Erfahrung, weil ich nie zuvor gleichaltrige oder ältere Schüler unterrichtet habe. Vielleicht fragt ihr euch, wie es möglich ist, gleichzeitig ein dreizehnjähriges Kind und einen fünfzigjährigen Mann zu unterrichten… das habe ich mich nämlich anfangs auch gefragt. Aber das klappt wirklich super! Alle Schüler lernen sehr fleißig und motiviert Deutsch, wodurch ein wirklich tolles Unterrichtsklima entsteht. Meistens bestehen die Kurse aus sehr kleinen Klassen, von ca. vier bis acht Schülern, was eine individuelle Förderung ermöglicht. Dennoch stand ich auch vor einigen Herausforderungen im Unterricht: Viele Schüler sprechen kein Englisch – somit ist es sehr schwer den Schülern, die noch keine guten Deutschkenntnisse besitzen, die Deutsche Sprache beizubringen. Hier ist viel Geduld und Kreativität gefragt! Außerdem beschäftigt man sich selbst sehr wenig mit der deutschen Sprache, weil man sie benutzt, ohne bewusst über sie nachzudenken. Beim Unterrichten bin ich immer wieder auf Fragen der Schüler gestoßen, über die ich mir zuvor nie Gedanken gemacht habe. Alles in allem macht der Unterricht in diesem Deutschzentrum sehr viel Spaß und die Betreuerin hilft einem, egal bei welchem Problem, immer weiter.
Die Grundschule
Zwei Wochen lang konnte ich auch eine Grundschule hier in Hai Phong besuchen. Da ich selbst Grundschullehramt studiere, war das natürlich für mich eine spannende Erfahrung. Die Herzlichkeit der Kinder war einfach nur überwältigend. Als ich die Klassenzimmer betreten habe, sind alle unglaublich süßen Kinder auf mich zugestürmt, haben mich umarmt und geklatscht. Wenn ich jetzt so davon schreibe, werde ich sofort wieder emotional! Auch das Kollegium nahm mich sehr herzlich in die Schulfamilie auf, obwohl nur sehr wenig Lehrer Englisch sprechen konnten. Der Unterricht in Vietnam ist in keinster Weise mit dem deutschen Unterricht an Grundschulen vergleichbar. Die Klassen bestehen hier aus 40 bis 50 energiegeladenen Kindern, was das Unterrichten zu einem unglaublich schweren und stressigen Beruf macht. Der Lautstärkepegel in diesen Klassen ist unerträglich. Eine Lehrerin sagte zu mir: „Man kann froh sein, wenn immerhin 50% der Klasse zuhört“. Die meisten Lehrer benutzen ein Mikrofon zum unterrichten, was für mich sehr ungewohnt war. An meinem ersten Tag versuchte ich, ohne ein Mikrofon zu unterrichten. Nachdem meine Stimme am nächsten Tag total versagte, lernte ich schnell, dass ein Mikrofon sehr sinnvoll ist. Etwas ungewohnt war auch die Tatsache, dass die Schüler beim Antworten aufstehen mussten. Ihr fragt euch jetzt aber sicher, wie denn Unterricht möglich ist, wenn ich nicht dieselbe Sprache, wie die Kinder spreche. Entweder hatte ich eine Lehrerin an meiner Seite, die mein Englisch für die Kinder übersetzte oder die Kinder konnten selbst schon Englisch, wodurch sie zumindest das meiste verstehen konnten.
Nun bleiben mir noch weitere vier Wochen, um viele neue Abenteuer zu erleben, worauf ich mich sehr freue. Als Fazit kann ich nur sagen, dass ich mich immer wieder für ein Praktikum in Hai Phong entscheiden würde. Ich habe hier so viele tolle Sachen erlebt, wunderbare Menschen kennengelernt und konnte unglaublich viel Unterrichtspraxis sammeln, was ohne dieses Auslandspraktikum nicht möglich gewesen wäre!