Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel auf mich herab und das Wochenende erstreckt sich in seiner vollen Länge vor mir. Die besten Voraussetzungen, um die erste Woche hier in Lettland Revue passieren zu lassen.
Ich bin letzte Woche Donnerstag in der ländlichen Stadt Rūjiena angekommen. Sie liegt im Norden des Landes, nahe der Grenze zu Estland und wird von den Einwohnern liebevoll als die lettischste aller lettischen Städte bezeichnet, da hier nur knapp 5% der Bevölkerung einer anderen Nationalität angehören.
Als ich ankam war mein erster Eindruck: `Wow, ist das eine kleine Stadt`. Doch für die Menschen hier ist sie der Dreh- und Angelpunkt für alle umliegenden Dörfer, da sie die größte Stadt im Umkreis von circa 100 Kilometern ist. Nichtsdestotrotz liegt sie irgendwo im Nirgendwo und besitzt kein Kino, keinen Drogeriemarkt und keine Einkaufsmeile, sondern nur einige Supermärkte und ein paar unbekannte, kleine Klamottenläden. Doch einsam fühlte ich mich trotz der Abgeschiedenheit hier nie, denn die Einwohner dieser Stadt begegneten mir sofort sehr herzlich und die Lehrer taten in der ersten Woche wirklich alles, damit ich mich wie Zuhause fühlte.
Die Wochenenden sind jedoch etwas lang hier in dieser beschaulichen kleinen Stadt, da es nicht viele Freizeitbeschäftigungen gibt. Deshalb besuchte ich letztes Wochenende Cēsis. Das ist eine wunderschöne Stadt drei Stunden von Rūjiena entfernt. Ich besichtigte dort eine Burg und den Stadtpark und war fasziniert von dem Zauber, welche die Stadt auf mich ausübte. Denn der Schnee lag wie Zuckerguss auf den Dächern der Häuser und der Park war ein einziges, weißes Paradies mit einem riesengroßen, zugefrorenen See in der Mitte.
Als ich dann die alte, schon etwas verfallene Burg besichtigte, fühlte ich mich in ein anderes Jahrhundert zurückversetzt. Nicht allein wegen der Tatsache, dass man am Eingang Kerzenständer erhielt und mitnehmen musste, sondern auch deshalb, weil dort fast alles so belassen wurde, wie es damals gewesen sein musste als in der Burg noch reges Treiben geherrscht hatte. Dies gibt dem Ort diesen wirklich einzigartigen Charakter.
Dieses Wochenende wollen Ricardo (er teilt sich mit mir die WG in Rūjiena) und ich eine weitere Stadt ansehen (Rēzekne). Außerdem wird am Freitag eine Schulfeier stattfinden. Ich hab also viel vor und bin deshalb sehr gespannt auf die nächsten Tage.