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Ein Wochenende im Grünen

Vergangenes Wochenende machten Pia und ich uns direkt nach der Schule auf den Weg nach Tsumeb, um dort Theresia zu besuchen und Anja und Miri zu treffen, mit denen wir gemeinsam nach Windhoek geflogen sind.

Wie kommen wir dorthin?

Mit dieser Frage haben wir uns seit der Einladung nach Tsumeb beschäftigt und Lehrer*innen, Freund*innen und unseren Vorgänger befragt. Die Divise war relativ eindeutig: Ein Mietauto (nächste Abholgelegenheiten: Windhoek oder Swakopmund) kommt nicht in Frage, Shuttels Richtung Norden sind schwer zu buchen, öffentliche Verkehrsmittel gibt es kaum – also wird getrampt.

Man stellt sich hier anscheinend nicht einfach an die Straße und streckt den Daumen nach oben, wie man es in Deutschland vermutlich getan hätte, sondern man geht zur Tankstelle, dem zentralen Vermittlungspunkt. Wir wurden vorgewarnt, dass dort Leute auf uns zukommen werden, die nach unserem Budget fragen und anschließend an Fahrer*innen vermitteln werden. Jedoch sollen wir aufpassen, dass die Vermittler*innen nicht zu viel Geld für sich behalten, sondern der/ die Fahrer*in selbst entscheidet, wie viel er/sie abgibt. Kaum gehen wir auf die Tankstelle in Karibib zu, so stürmt uns ein Mann entgegen und fragt uns wo wir hinwollen und wie viel wir bereit sind zu zahlen. Uns wurde gesagt 200 namibische Dollar (umgerechnet etwa 10 €) pro Person wären normal, also nannten wir diesen Betrag. Nach ca. einer Minute stellte uns der Vermittler unseren Fahrer vor, der uns überraschender Weise zu einem Shuttlebus führte. In diesem waren exakt zwei Plätze frei. Das war perfekt. Wir hätten es nicht besser planen können! Und so ging unsere Fahrt 385 km Richtung Norden los.

Die Hinfahrt

Die Fahrt nach Tsumeb war wie eine Fahrt in ein anderes Land. In der trockenen, beigen Savanne fuhren wir los, im feuchten, grünen woodland („Wald“) kamen wir an – bei 10°C weniger. Es war fast angenehm. Zwischenzeitlich hatte ich sogar eine Gänsehaut – goosebumps!

In Otjiwarongo machten wir an einer Tankstelle Halt. Ausnahmslos alle stiegen aus dem Bus aus, um sich mit Getränken und Snacks auszustatten. Wir packten – typisch deutsch – unsere Brotzeitdosen aus und aßen die im Voraus geschmierten Toastbrote. 🙂

Außerdem wurden uns 300 namibische Dollar pro Person abgemurkst. Doch mehr als ursprünglich angegeben. Es scheint jedoch der normale Preis für ein Shuttle zu sein, da die Einheimischen dasselbe zahlten.

Der erste Abend

Durchgeschwitzt und müde von der vierstündigen Fahrt ohne Klimaanlage kamen wir in Tsumeb an. Dort trafen wir die anderen und tauschten uns auf den ersten Metern durch die Stadt über all unsere Erfahrungen aus.

„Wann steht ihr auf?“, „Wie viele Stunden unterrichtet ihr?“, „Welche Fächer?“, „Wie sehen eure Nachmittage und Wochenenden aus?“, „Wie ist das Essen?“, „Wie sind die Schüler*innen?“, usw. waren Fragen, die wir uns gegenseitig gestellt haben. Es tat so gut, sich darüber zu unterhalten. Die Müdigkeit war wie vom Erdboden verschluckt.

Na, seid ihr neugierig geworden? Diese Fragen werde ich im versprochenen Artikel über den Alltag beantworten, wenn sich in Karibib alles eingependelt hat – noch ist es nicht soweit.

Am selben Abend gingen wir kurz in eine Shopping Mall. Ihr habt richtig gehört: In Tsumeb gibt es eine Shopping Mall!?! Diese ist sogar klimatisiert. Für uns Landeier aus Karibib und Okakarara war das kaum zu glauben – wir hatten fast einen Kulturschock! Dort bekamen wir alles, was das Herz begehrt und es in Karibib nicht gibt. Also deckten wir uns mit einigen Vorräten ein, z.B. Couscous. 😉

Danach gingen wir gemeinsam essen und trafen Theresias Vorgängerin sowie einen Freund.

Es tat gut den stressigen Alltag mal hinter sich zu lassen. Das taten wir auch, als wir zu später Stunde bei Theresias Lehrerkolleg*innen auf der Terrasse vorbeischauten. Eigentlich bin ich immer motiviert neue Leute kennenzulernen. An diesem Abend war ich einfach müde. Trotzdem war es spannend sich mit den Einheimischen zu unterhalten. Wir stießen u.a. auf ein Thema, auf das ich in Namibia häufiger angesprochen werde: Fleisch. „Why don’t you eat meat?“, ist eine Frage, die mir hier regelmäßig gestellt wird. Die Namibier essen meines Erachtens nach sehr viel Fleisch. In unserem Hostel gibt es jeden Tag mindestens einmal Fleisch, manchmal zweimal, letzten Sontag sogar dreimal. Zum Glück zeigt die Küchenchefin aus dem Hostel Verständnis und ich bekomme vegetarisches Essen. Unser Vorgänger, der auch Vegetarier war, hat da sicher schon einige Vorarbeit geleistet… 🙂 Trotzdem ist es für die Menschen hier – auch für unsere Lehrerkolleg*innen – schwer nachvollziehbar, warum ich kein Fleisch esse.

Shopping

Samstagvormittag war Shopping angesagt: Sowohl Pia und ich, als auch Anja und Miri, die auch in einem kleinen Dorf unterrichten, waren auf der Suche nach einigen Sachen für die Schule. In Tsumeb gab es gleich mehrere Schreibwarenläden – ein Paradies für alle Lehrer*innen! <3

Pia und ich deckten uns mit Stickern und Magneten ein. Außerdem träumte ich davon, für meine acht Deutsch-Mädels Karteikarten zu kaufen, da sie Probleme haben die Deutsch-Vokabeln zu lernen und mir Karteikarten immer gut beim Lernen geholfen haben. Leider waren die Karteikarten sehr teuer, also improvisierten wir mit bunten Notizzetteln, in der Hoffnung, dass die Wörter auf der anderen Seite nicht zu sehen sind. In Karibib kauften wir schon Vokabelhefte für die Kinder, sowie Tonpapier und andere Kleinigkeiten. Eine Auswahl wie hier gibt es dort allerdings nicht. Müssten wir die Büroartikel nicht aus eigener Tasche zahlen, hätte ich vermutlich den ganzen Laden leergekauft…

Neben dem Shoppen für die Schule fielen Pia und ich in einen Secondhand-Laden ein, in dem wir beide schöne und günstige Kleider erwarben.

Dann war wenigstens ein bisschen Sightseeing angesagt.

Was die Stadt zu bieten hat

Es gibt einen großen, grünen Park und schöne Kirchen. An die Palme daneben muss ich mich gewöhnen.

Beeindruckend fand ich u.a. die Autowracks neben der Polizeistation. Alle Autos, in denen Personen gestorben sind, werden scheinbar hierhergebracht, um den Unfallhergang nachzuvollziehen. Ich sehe sie auch als Warnsymbole.

Pia und mir ist schon aufgefallen, dass es hier häufiger zu schweren Autounfällen kommt. Kurz nach unserer Ankunft in Karibib sind in einem Autounfall auf der kurzen Strecke von Usakos nach Karibib vier Menschen ums Leben gekommen – alle aus Karibib. Manche Schüler*innen hat das verständlicher Weise sehr mitgenommen. Das Erschreckende ist, dass es anscheinend kein Einzelfall war. Immer wieder hört man von tödlichen Unfällen. Auch die Mutter zweier Schülerinnen im Hostel ist in einem Autounfall ums Leben gekommen. Deswegen nehme ich mir umso mehr vor: Vorschriftgemäß fahren!!!

Theresia zeigte uns auch ihre Schule, die Etosha Secondary School. Die Schule ist wirklich groß und der Pausenhof so grün. Jede Grünfläche beeindruckt uns… wir kommen aus dem Staunen nicht mehr raus.

Gestaunt haben wir auch, als wir Theresias Deutschzimmer betraten. Es gibt gepolsterte Stühle, moderne Tische und sogar Whiteboard sowie Beamer!

Unsere Klassenzimmer in Karibib sehen anders aus. Die restlichen der Etosha Secondary School wohl auch. Nur dieses Zimmer ist gut ausgestattet, da es vom Goethe Institut gesponsert wird.

Theresias Schule hat – ebenso wie Marleens Schule in Windhoek – ein einiges Gewächshaus. Vermutlich hätten wir in Karibib auch eines, wenn denn was wachsen würde…

Beeindruckender fanden wir jedoch dieses Geschöpf hier:

Das ist der sogenannte Leberwurstbaum (kein Witz, der heißt wirklich so). Nach weiteren Recherchen konnten wir herausfinden, dass er zu der Familie der Trompetenbaumgewächse gehört. Die Früchte des Leberwurstbaumes sind Panzerbeeren mit warziger, rauer Oberfläche, welche bis zu einem Meter lang und sieben bis zwölf Kilogramm schwer werden können.

Zudem gab es einen Papaya Baum, genau wie in Indien.

Auch wie in Indien sahen wir Frauen mit Ästen auf dem Kopf in der Stadt laufen.

Auf der Farm

Am Nachmittag sollten wir von einer Bekannten abgeholt werden, die uns mit auf ihre Farm nimmt. Aufgrund eines Stromausfalls kam sie leider nicht vom Hof, da das Tor elektrisch betrieben ist.

Sobald der Strom wieder da war, holte uns die Farmbesitzerin ab. Ich durfte mit Anja und Pia auf der Transportfläche des Pick-ups sitzen. Das war cool.

Noch cooler wurde es, als wir im Jeep auf die Felder der Farm gefahren sind. Gemeinsam standen wir auf der offenen Ladefläche und haben uns den Wind durch die Haare wehen lassen. Ein unglaubliches Gefühl der Freiheit.

Freedom!!!

Zu der Farm gehören ca. 1000 Rinder, die auf riesigen Feldern grasen dürfen.

Ungefähr eine halbe Stunde sind wir wie auf einer Safari über die Ländereien der Farm gefahren.

Wir sahen Helmperlhühner und Kudus, eine afrikanische Antilopen-Gattung. Sie haben uns gezeigt, wie hoch sie springen können – nämlich über die etwa zwei Meter hohen Zäune. Und das aus dem Stand!

Irgendwann haben wir an diesem Feld angehalten.

Von dort aus sind wir, jeder mit einem Kaltgetränk ausgestattet, durch das Gebüsch den Hügel hochgelaufen.

Siehe da, die Aussicht lohnt sich:

Zurück auf der Farm haben wir ein Lagerfeuer gemacht und gegrillt.

Für Pia und mich gab es Tomaten-Schafskäse-Päckchen – es war herrlich! Der Sternenhimmel war die Krönung.

Glücklich bin ich danach auf meine Luftmatratze gefallen und durfte am nächsten Tag sogar ausschlafen – ein Traum.

Die Rückfahrt

Die Fahrt zurück war wieder ein Erlebnis. Tatsächlich hatten wir im Voraus einen Fahrer gebucht, der uns von Theresias Vorgängerin empfohlen wurde, also fiel der Abenteuerpunkt trampen schon mal weg. Dafür hatten wir neben Kühen, auch einen Esel auf der Fahrbahn und wir sahen das erste Zebra! Ganz entspannt stand es gemeinsam mit anderen Pferde neben der Straße und graste. Schon verrückt dieses Land, oder?!? Danach bin ich 1000 Tode gestorben, als es mittags den typischen Zenitalregen gab, unser Fahrer jedoch mit 80 km/h trotz Aquaplaning weiterpreschte – immerhin mit eingeschalteter Warnblinkanlage.

Zurück in Karibib

Trotzdem erholt kamen wir am Sonntagabend in Karibib an. Ich muss zugeben, dass ich froh bin, wieder in dem kleinen, heißen Dorf zu sein. Es ist inzwischen ein Stück Heimat geworden, das ich nicht missen möchte.

Leider wurde ich am Montag krank. Das Essen scheint mir nicht gut bekommen zu sein und ich war drei Tage nicht in der Schule. Die kompetente Dorfärztin hat mir Medikamente verschrieben, mit denen es mir zum Glück gleich besser ging. Neben viel Zeit im Bett verbrachte ich auch einige Zeit damit aus den gekauften Materialien improvisierte Karteikästen für meine Deutsch-Schülerinnen zu basteln und Karteikarten zurecht zu schneiden. Hier das Ergebnis:

Jetzt bin ich bereit für eine neue Schulwoche!