Sprachliche Allüren
Hey, ich bin Flo und ich erzähle Euch hier ein wenig über mein anderthalb Monate dauerndes BLLV-Auslandspraktikum in Oslo, Norwegen! ☺️ Schnappt euch Popcorn, denn das wird ein heißer Ritt durch den Fjord! 🍿
Die Ankunft in Oslo vermochte zunächst einige…nunja, Änderungen des sich seit nunmehr 2 Jahren antrainierten Pandemie-Alltages mit sich zu bringen. Recht schnell konnte man am Flughafen erkennen, wer aus Deutschland kam und noch eine Zeit lang brav die FFP2-Maske trug. Doch waren in Norwegen Anfang März bereits nahezu alle Coronamaßnahmen gefallen. Ich vermag das nicht zu kommentieren, wohl aber, dass das der wohl erste große Schritt in einen neuen alten Alltag war, den man so nicht mehr gewohnt war. Und so ging es los, mein BLLV-Auslandspraktikum für mehr als anderthalb Monate in Norwegen, inmitten in Oslo. Einem Land, das ich zuvor nur in Dokumentationen und meinem eigenen Geographie-Referat aus der 7. Klasse erlebt hatte.
Die Sprache. Ja, die Sprache. Das Norwegisch ist für einen deutschen Einsteiger keine Katastrophe, jedoch findet man innerhalb eines Monats auch nicht gleich zur Paradisbukta, also der Paradiesbucht. Englisch gilt in Norwegen jedoch auch nicht wirklich als „Fremdsprache“, sodass man sich recht schnell zurechtfindet. Und dennoch fühlt man sich beim Zuhören des Plausches von norwegischen Muttersprachlern zuächst einmal gewissermaßen im uncanny valley irgendwo zwischen Deutsch, Englisch und gefühlt Japanisch. Ja, glaubt mir. Wenn man das erste Mal Værsågod (dt. gern geschehen) von einem Muttersprachler hört, fühlt man sich fast wie in Osaka. Aber Spaß beiseite macht es einem selbst als deutschen Muttersprachler tatsächlich Spaß Norwegisch zu lernen und gerade im Deutschunterricht, in dem die Schülerinnen und Schüler selbst mit einfachen Satzstrukturen lernen und arbeiten, fällt einem das selbst auch leichter. Ich hätte mir auch gewünscht, vielleicht mit A1-Norwegisch Niveau in Oslo anzureisen, jedoch empfiehlt es sich durchaus, ein paar Brocken schon vorher drauf zu haben. Die Norweger freut es sehr, wenn man beim Bäcker schon bitte, ja und danke sagen kann, wenngleich man dann bei der Folgefrage, ob man denn eine Einkaufstüte haben will, oftmals aufgeschmissen ist, aber traut euch, es lohnt sich. 😝
Die Weltstadt und das große Dorf
Angeblich hat Oslo etwas mehr als 700.000 Einwohner, jedoch vermag man das nie recht zu spüren. Die Stadt hat ihren ganz eigenen Charme und man bewegt sich immer auf dem Grat zwischen weltgewandter, kosmopolitischer, internationaler und touristikdurchströmter Metropole und einem großen Dorf mit vielen ruhigen Ecken, Gässchen, kleinen Kunstgalerien in pitoreskten Holzhüttchen inmitten einer Straßenschlucht. Die anderthalb Monate haben mir so viele schöne Ecken und Kanten dieser Stadt gezeigt und ich werde noch so viele Wiederkünfte in Oslo brauchen, um all diese Ecken weiter zu erforschen.
Wenn man durch Oslo flaniert, eignet man sich schnell diesen entschleunigten, gemütlichen Lebensstil der Norweger an. Die Stadt ist geschäftig, aber nicht überlastet mit Leuten, die nur ihrem täglichen Geschäft nachgehen. Die Luft ist getränkt durch Seeluft, sanfte Straßenmusik, einigen badenden Osloern im Fjord, StudentInnen, Touristen und einem oberkörperfreien sonnenbadenden Städter, der alle Viere gerade sein lässt und sich im ersten Frühjahrsonnenschein sonnt. Man lässt den Blick in den sonnengetränkten Fjord schweifen und beobachtet die Boote, Fähren und selbst die großen Pötte in den Sonnenuntergang fahren. Ein herrliches Gefühl. Und ein befreiendes, was ich zu anfangs nicht zu glauben vermochte. Das hyggelig Lebensgefühl, es überkommt einen irgendwann, wenn man es zulässt. Doch zu dieser nordischen Lebenseinstellung werde ich später noch mehr berichten.
Kulinarisches
Kleiner Witz voraus: Man sagt ja, bei scharfem Essen brennt es zweimal. Ihr wisst, was ich meine. Jedoch muss ich im Falle von Norwegen und spezifischer Oslo hier etwas beifügen. Bei scharfem Essen in Oslo brennt es dreimal. Das dritte Mal ist der Brand im Geldbeutel und die daraufhin gähnende Leere. Jedoch sei anzumerken, dass gerade bei seltenen Besuchen der Gastronomie in Oslo dann der Genuss umso höher ist und man aktiver genießt.
Egal ob Rentier-Ragout, Fischeiern als Topping auf Makrele, braunem Käse, oder lomper über lomper (ein fladenähnliches rundliches Fladenkonstrukt) mit Schokocreme gefüllt (!) samt Schokomilch von der Schokokuh, man stolpert in anderthalb Monaten Praktikum über so manche Leckerei und ich wurde nie negativ überrascht! Ganz im Gegenteil, kulinarisch kann und sollte man in Norwegen einiges mitnehmen, es lohnt sich! Und der seltenere Besuch des Restaurants hebt diesen auf eine ganz neue Stufe des Erlebens und Genießens.
Historisches
In Norwegen findet man ein sehr lebendiges Geschichtsbewusstsein, das jedoch weit über das klassisch stereotypische Wikingerdasein hinausgeht. Zu allen Epochen, Kunstströmen und Ideen findet man in Oslo etwas. Irgendetwas. Und wenn es nur eine von unzähligen Wandtäfelchen sind. Wenn man Geschichte als Unterrichtsfach studiert, findet man in Oslo und Umgebung wirklich einige herausragende und aus museumspädagogischer Sicht definitiv besuchenswerte Museen, Ausstellungen, Statuen, Gedenkorte und Architektur.
Schulisches
Einen Absatz möchte ich auf jeden Fall noch zu meiner Praktikumsschule, dem Handelsgymnasium (auch OHG genannt) mitten in Oslo, loswerden. Die Schule umfasst die Oberstufe, also die Jahrgangsstufen 11-13 mit etwa 1000 SchülerInnen und ist eine Mischung aus gymnasialer Oberstufe und Berufsschule, also Sekundarstufe II mit Spezialisierung auf economics und business, also Wirtschafts- und Betriebswissenschaften mit Fremdsprachenangebot in Deutsch, Spanisch, Japanisch u.v.m.. Englisch ist als quasi Amtssprache hier weniger als Fremdsprache, als vielmehr zweite Muttersprache anzusehen.
Ich wurde sehr liebevoll und herzlich von den LehrerInnen der Schule aufgenommen und besondere Grüße gehen hier an Petra, Ola, Karen-Elise und Jakob raus. Auch die SchülerInnen waren mir gegenüber sehr offen, neugierig und stets respektvoll. Ich wurde sehr schnell in den Schulverband aufgenommen und wahrlich ging es auch fix los, da ich einige Englisch-Stunden als Vertretungslehrkraft übernommen hatte und irgendwie hat man sich im Sprachdreieck zwischen Deutsch, Englisch und Norwegisch immer mit den SchülerInnen verständigen können. Es war herausfordernd, aber auch sehr spaßig und unterhaltsam. Im Deutschunterricht zusammen mit Ola konnte ich sogar ein kleines Projekt durchziehen, was ich mir im Vorklapp des Praktikums vorgenommen hatte, nämlich ein kleines „Improvisationstheater“ der Deutschklasse in der 12. Jahrgangsstufe, was überraschend gut bei den SchülerInnen ankam und beim ein oder der anderen auch ein schauspielerisches Talent herauskitzelte. Auch der Abschied fiel mir hier und da sehr schwer. Man hatte in den Mittagspausen, aber auch im Türgespräch oder spontan beim Pizza-Essen nach dem Meeting viel Zeit, andere Lehrkräfte kennenzulernen und ich habe sehr viel über das norwegische Schulsystem und die Mentalität erfahren. Vielen Dank für diese prägenden Momente! ❤️
Man kam durch den Schulalltag in eine Form geregelten Alltags, der jedoch nicht alltäglich war. Täglich habe ich Neues erfahren, neues probiert und wurde neu gefordert. Das Praktikum war jede Sekunde wert.
Tusen takk for den interessante tiden, Norge! ❤️🇳🇴