Die Malariaprophylaxe ist zur Hälfte geleert, all unsere Klamotten mehr als staubig und die mitgebrachte Schokolade aufgegessen. Es ist Halbzeit. Seit Luna und Alex, zwei andere Freiwillige an der Anmchara International School und damit auch in Godwins Haus, zu uns gestoßen sind, vergeht die Zeit schneller und schneller. Wir kaufen Waschmaschinen, die nicht funktionieren und Ziegen, die uns weglaufen (Gott sei Dank, denn hier gibt es mehr als genug), besteigen Berge ( die für uns Bayern zwar nicht so richtig hoch, aufgrund der Temperatur aber doch recht schweißtreibend zu erklimmen sind) und baden in Wasserfällen. Dank Alex, der keine Angst vor exotischen Worten auf der Speisekarte hat, probieren wir uns langsam aber sicher durch die ghanaische Küche.
Außer einem recht interessanten Frühstücksgericht namens Koko sind wir da bis jetzt auch ziemlich begeistert. Beim ein oder anderen Gericht scheiden sich zwar unsere Geister, den berühmten Jollof Reis haben wir aber schon einstimmig und vom ersten Tag an ins Herz geschlossen. Auch wenn wir mittlerweile begriffen haben, dass unsere Liebe Rose (die Köchin und gute Seele des Hauses) uns mit der üblichen ghanaischen Schärfe verschont.
Auch generell wird uns immer klarer, dass wir für die örtlichen Verhältnisse ziemlich luxuriös leben. Waren wir anfangs noch ein bisschen geschockt von fehlendem Wasser und Strom, ein bisschen Dreck und irgendwie mangelnder Liebe zum Detail; so sind wir mittlerweile mehr als froh unsere Nächte im eigenen Bett, umgeben von Moskitonetz und – zumindest wenn es keinen Stromausfall gibt – gekühlt vom Ventilatorenwind zu verbringen. Und da so ein Eimer Brunnenwasser zum Haare waschen sowieso viel geeigneter ist als ein spärlicher Wasserstrahl, fehlt uns noch nicht einmal Das besonders. Erstaunt über unsere eigene Gelassenheit, die nur noch gelegentlich von plötzlich auftauchenden Kriechtieren unterbrochen wird, sind wir also ziemlich im tiefsten Ghana und inzwischen auch im Schulalltag angekommen.
Nichts läuft hier wie geplant und sich am Stundenplan zu orientieren schafft meist mehr Verwirrung als Ordnung. Also passen wir uns an und beginnen unsere Unterrichtsstunden zu uns passend erscheinenden Zeitpunkten. Den Unterricht zu beschreiben ist nicht einfach, denn manchmal will der erste Eindruck einfach so gar nicht zum Zweiten oder Dritten passen…Der Lehrplan scheint unserem Deutschen zunächst nicht unähnlich, die Vermittlung der Inhalte könnte verschiedener nicht sein. Die Kinder kennen nur Frontalunterricht, der zum Großteil aus Abschreiben und Exercises besteht, die auch nicht so richtig effizient sind, da sie erstens sehr zeitaufwändig abgeschrieben werden müssen und zweitens nur in seltenen Fällen für tieferes Verständnis sorgen. Wir geben unser Bestes und packen all unsre innovativen Methoden aus…machen Sitzkreise, holen Kinder an die Tafel, lassen sie in Gruppen arbeiten … und verzweifeln täglich. An Chaos und Lärmpegel, viel mehr jedoch noch an mangelnder Fähigkeit zu Verstehen, eigenständig zu Schlussfolgern oder gar zu Entscheiden. Dass vorne und hinten Bücher fehlen und so manche Stunde ohne Mitarbeit verstreicht, weil kein Bleistift gefunden wird macht die Angelegenheit nicht gerade leichter. Wir üben uns in Geduld und Toleranz und lassen jede Form von Perfektionismus weit weit hinter uns…und die Kinder haben wir sowieso schon in unser Herz geschlossen, Mitarbeit hin oder her 🙂 Egal! Relax! Mal wieder…Effizienz und Zeitmanagement stehen eher weit hinten auf der Liste;) Das Einsammeln des Schulgeldes und genauso das Austeilen des Essens kann schon mal eine kleine Ewigkeit dauern, ist aber auf jeden Fall ganz nett mit anzusehen, sofern man sich schon ein wenig in Geduld geübt hat.
Das Highlight der vergangenen Woche war – eine Woche zu spät, aber das stört hier wirklich niemanden – unsere Faschingsparty!! Mit Luftballons, Luftschlangen und Kinderschminken versuchen wir ein bisschen Farbe in den Schulalltag und auch das Schulgebäude zu bringen. Wir tanzen Stoptanz, Limbo und Luftballontanz…denn diese Kinder können tanzen! Und wie! Dieses Wahnsinnsgefühl für Rhythmus und Bewegung haben sie scheinbar wirklich alle. Und wollen ihre Musikliebe zu unserem Leid auch recht häufig ausleben. Nachts. Morgens. Laut. Aber wie kann man schon so richtig genervt sein, wenn sich die zweitägige lautstarke Party vor unserem Fenster am Ende als Beerdigung entpuppt?
Grüße und ganz viel Sonnenschein aus Ghana! Man gewöhnt sich an alles…Inwiefern das gut oder schlecht ist sei jetzt mal dahin gestellt:)
Eure Anja, Klara und Anna