Neuseeland,  Nordinsel,  Wellington

Kia Ora und herzlich willkommen in Aoteroa!

Wellington, South Wellington Intermediate School

Seit Anfang August bin ich jetzt in Wellington und habe somit den deutschen Sommer gegen den neuseeländischen Winter eingetauscht. Wenn ich ehrlich bin, hat mich die Kälte in diesem Ausmaß etwas überrascht – durch den dauerhaften Wind fühlte es sich anfangs seltener wie 14 und öfter wie 4 Grad an. Mittlerweile ist der Frühling allerdings ins Land gekehrt und die Temperaturen sind schon deutlich angenehmer.

Nach einer zweitägigen Reise von München nach Wellington bin ich von meiner Gastfamilie an einem Freitag am Flughafen in Empfang genommen worden; zunächst leider allerdings ohne mein Gepäck, das erst abends nachgeliefert wurde. Wieder in meinen eigenen Klamotten wurde mir von meiner Gastfamilie in den nächsten beiden Tagen ein bisschen die Gegend gezeigt. Wir waren auf dem Wochenmarkt, im Skatepark, Supermarkt, auf der Aussichtsplattform am Mount Victoria und sind mit dem Cable Car gefahren.


Die Schule

Am Montag ging es dann für mich erstmals in die Schule. Ich bin für insgesamt 8 Wochen an der South Wellington Intermediate School, kurz SWIS, 7 davon im Unterricht und die letzte in einem Ferienprogramm. Zur Schule nehme ich entweder den Bus (der leider nicht so wirklich zuverlässig ist) oder laufe ca. 25 Minuten.

Die Intermediate School umfasst hier die Jahrgangsstufen 7 und 8, folgt auf die Primary School und bereitet auf das College bzw. die Highschool vor (Jahrgangsstufen 9 bis 13). An der SWIS gibt es insgesamt 15 Klassen bzw. sogenannte Homerooms, in denen Schülerinnen und Schüler der 7. und 8. Jahrgangsstufe gemeinsam unterrichtet werden. In den Homerooms werden die Jugendlichen von der Klassenleitung in den Fächern Mathe, Englisch, Sozialkunde und Gesundheit unterrichtet. Abgesehen davon gibt es Fächer wie neuseeländische Geschichte, die Maori-Sprache Te Reo, künstlerische Fächer wie Drama, Film oder Musik und technische Fächer wie Kochen oder Hard Tech (v.a. Holzarbeit).

Ein typischer Schultag sieht folgendermaßen aus:

Block 1 – Homeroom8:45 – 10:10
Morning Tea10:10 – 10:30
Block 2 – PE10:30 – 11:20
Movement Time11:20 – 11:25
Block 3 – Drama11:25 – 12:15
Lunch Eating12:15 – 12:25
Lunch Play Time12:25 – 1:05
Block 4 – Food Tech1:05- 1:55
Movement Time1:55-2:00
Block 5 – Food Tech2 – 2:50
Homeroom (End of Day)2:50 – 3

Zu Beginn meines Praktikums wurde ich einer Betreuungslehrerin zugeteilt, mit der ich v.a. in der ersten Woche viel Zeit in ihrem Homeroom verbracht habe. Seitdem habe ich schon in viele andere Klassen und Fächer schnuppern dürfen.

Meine Aufgaben hier bestehen in erster Linie aus dem Hospitieren und der Unterstützung bei der Differenzierung. Ich habe allerdings auch schon vereinzelte Unterrichtsstunden gehalten, u.a. im Deutschunterricht, wobei diese jedoch hauptsächlich auf Englisch stattgefunden hat. Das Lernen von Fremdsprachen hat hier keinen besonders hohen Stellenwert, abgesehen von der Landessprache Te Reo Māori. In den letzten Jahren ist man in Neuseeland vermehrt sehr bedacht, die Sprache Te Reo Māori sowie die Traditionen der indigenen Bevölkerung am Leben zu halten, wobei diese Bemühungen eher schleppend laufen, weil die Lehrkräfte dafür einfach fehlen.

Neben dem normalen Unterricht gibt es an der SWIS sehr viele außerunterrichtliche Angebote wie Sportwettkämpfe, Schachturniere, Rainbow Spectrum Club, das Green Team, das sich um den Bau eines Gewächshauses bemüht und dieverse kulturelle Angebote wie den Poly-Club (für Jugendliche polynesischer Herkunft) oder eine Kapa Haka Tanzgruppe. Außerdem gibt es in der letzten Woche des Terms einen Markt-Tag, an dem sich alle Schülerinnen und Schüler beteiligen. Dieser ist komplett von den Jugendlichen organisiert, inklusive Anwerben von Sponsoren, und es werden an Ständen von Kleingruppen verschiedene Speisen oder Selbstgebasteltes verkauft. Dieser Markt-Tag ist schon seit vielen Jahren etabliert und genießt große Bekanntheit und Beliebtheit unter den Mitgliedern der kompletten Gemeinde.

Besuch an Island Bay School

Meine Gastmutter arbeitet sowohl an der Schule, die ich besuche, als auch an einer Grundschule in der Gegend und hat für mich organisiert, dass ich einen Tag lang auch mal die Grundschule in Island Bay, die die Jahrgangsstufen 1 bis 6 umfasst, besuchen kann. An dieser Schule gibt es das „Hub“-Konzept, also das Zusammenfassen mehrerer Klassen in einen großen Raum mit offenem Lernkonzept, bereits seit vielen Jahren, wohingegen das Konzept an der SWIS noch neuer und unausgereifter ist.

Die Räumlichkeiten in Island Bay sind mit vielen Breakoutspaces, verschiedenen Sitzmöglichkeiten und Smartboards sowie iPads für alle Schüler*innen für das selbstständige Lernen gut ausgestattet.

Ich war tatsächlich überrascht, wie gut die 3.- und 4.-Klässler*innen gearbeitet haben, wobei ich in dieser Altersgruppe auch insgesamt nicht so viel Erfahrung habe.

Mein Fazit

Der Schulalltag läuft hier schon sehr anders ab als in Deutschland: durch das Gesamtschulkonzept ist die Bandbreite an Fähigkeiten deutlich größer, was das akademische Niveau natürlich beeinflusst; es gibt hier bis einschließlich der 8. Klasse keine wirklichen Leistungserhebungen oder Hausaufgaben; im Unterricht werden sehr häufig Laptops oder Tablets verwendet, mit denen manche Schüler*innen verantwortungsvoller umgehen als andere; das Fächerspektrum hier ist deutlich breiter gefächert und vielseitiger; es sind hier häufig mehrere Erwachsene in einem Klassenzimmer, neben der Lehrkraft nämlich auch ein Teachers Aid oder eben ich als Praktikantin, und es wird recht viel differenziert. Insgesamt ist das System hier meiner Meinung nach schon weniger anspruchsvoll als in Deutschland und das wirkt sich meiner Erfahrung nach auch auf das Verhalten aus, wobei insbesondere der Respekt Lehrkräften und anderen Erwachsenen gegenüber häufig zu wünschen übriglässt. Positiv hervorzuheben ist dagegen das Miteinander der Schüler*innen; es gibt wenige Probleme mit Mobbing oder Ausgrenzung und Kinder, die „anders“ sind, werden insgesamt gut integriert, sowohl auf systemischer Ebene als auch von den Jugendlichen. Mein Praktikum hier hat mir einmal mehr vor Augen geführt, dass alles seine Sonnen- und Schattenseiten hat. Die Erfahrungen im neuseeländischen Schulsystem haben mir sowohl aufgezeigt, was in Deutschland gut funktioniert und woran wir noch zu arbeiten haben. Und auch wenn es einige Dinge hier gibt, die mir nicht so gut gefallen, habe ich zum Glück genug nette und offene Leute um mich herum, die das wieder wettmachen und wegen denen ich die Zeit und Erfahrungen hier nicht missen wollen würde.


Das Leben außerhalb der Schule

Neben der Schule versuche ich natürlich möglichst viel von Neuseeland zu sehen, was sich ohne Auto und aufgrund der örtlichen Gebundenheit teilweise schwierig gestaltet. Nach der Schule gehe ich gerne am Strand spazieren, stöbere durch die Secondhandshops in der Gegend oder hole mir eine heiße Schokolade, wenn ich Glück habe und noch ein offenes Café finde. Mit meiner Gastfamilie habe ich jetzt auch schon ein paar Bush Walks um Wellington gemacht, ich habe diverse (kostenlose) Museen besucht, war im botanischen Garten, habe Robben bei den Red Rocks gesehen, habe das Daffodil Festival in Carterton inklusive kleinem Stadtfest besucht und am Wochenende soll es zum Skifahren gehen. Weil ich rechtzeitig zum Semesterbeginn wieder in Deutschland sein muss, habe ich leider nur wenig Zeit nach dem Ende meines Praktikums das Land noch weiter zu erkunden, aber ich habe definitiv den Plan irgendwann nochmal hierher zu kommen und das nachzuholen!

In etwa drei Wochen geht es für mich wieder Richtung Heimat und ich kann definitiv jetzt schon danke für alles sagen and den BLLV, alle Leute an der SWIS, meine Gastfamilie und sonst allen Menschen, die meine Zeit hier bereichert haben – kia ora und e noho rā!